DER STRAUBINGER BOTE UND DAS LICHTLEIN
Ehe bei uns die Eisenbahnen gebaut wurden, verkehrte zwischen Straubing und Passau jede Woche regelmäßig ein Botenfuhrwerk. An einem dunklen Winterabend fuhr der Bote wieder einmal nach Straubing zurück. Die Schneeflocken tanzten dicht zur Erde und der Wind sauste und heulte fürchterlich. Noch war der Bote stundenweit von seinem Ziele entfernt, als ihm der Wind die Laterne auslöschte. Da hieß es nun behutsam fahren; denn damals gab es noch viele Zäune mit ihren Falltoren, den sogenannten Faltern. Aber, o Wunder! so oft das Fuhrwerk an ein Falter kam, erschien ein Lichtlein, welches dasselbe öffnete und schloß. Nachdem das letzte Falter passiert war, sagte der Fuhrmann: "du hast mir einen großen Dienst erwiesen, Lichtl! Gott vergelt's!" Da flog das Lichtlein mit einem Freudenschrei in die Höhe und rief: "jetzt bin ich erlöst!" Dann verschwand es.
Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen