DER RITTER VON BOGEN

Wenn in alter Zeit in deutschen Landen Unruhe herrschte, dann brachen häufig die Ungarn ein und verwüsteten die reichsten Gaue. So war es auch wieder im Jahre 955. Damals drangen sie bis nach Schwaben vor. Auf dem Lechfelde schlugen sie ihr Lager auf und bedrängten die Stadt Augsburg. Schon glaubten sie sich dem Ziele nahe, als König Otto I. zum Entsatze herannahte. Alle deutschen Stämme hatten sich an diesem Zuge beteiligt. Die meisten Streiter aber sandte Bayern. Unter den letzteren befand sich ein junger Kämpfer, der kaum den Knabenjahren entwachsen war, mit blassem Milchgesicht und von zartem Körperbau; doch flink tummelte er seinen Rappen und sicher schnellte er den Pfeil vom Bogen, seiner einzigen Waffe.

Zweimal stand bereits der Sieg auf Seite der Feinde und jedesmal schoß er einen ihrer Führer in dem Augenblick vom Rosse, als dieser sich im Siegestaumel aufrichtete und den Seinigen zujubelte. Zweimal brachte er dadurch Verwirrung in die Reihen der Ungarn und als endlich doch das Kriegsglück endgültig sich auf die Seite der Deutschen neigte, nützte ein Ungar einen günstigen Augenblick, indem er auf seinem flinken Renner sich durch die Reihen drängte und seinen Säbel auf König Otto schwang. Aber im Hui hatte ihn wieder der junge Bayernschütze unschädlich gemacht.

In wilder Flucht verließen die Ungarn das Land. König Otto kniete inmitten seines Heeres auf dem Schlachtfelde nieder, dem Himmel für den Sieg zu danken. Dann ließ er den jungen bayerischen Bogenschützen zu sich kommen, schlug ihn zum Ritter und sprach: "Dreimal hat Dein Bogen entscheidend eingegriffen. Du sollst daher Ritter von Bogen heißen und drei Bogen in Deinem Wappen führen!"

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen