DER MARKBAUM *)

Ein Müller ging einst spät abends nach Hause und verlor im Walde - es war bei Kleinroitzenried - den Weg. Da hörte er auf einmal lautes Streiten und Fluchen. Drei steinalte, fremdgekleidete Männer mit grauen Bärten standen etwas abseits vor einem morschen Baumstumpfe und hielten ein aufgeregtes Gespräch. Jeder hatte eine Axt in der Hand. Der Müller erkannte bald, daß es sich um den Baumstumpf handelte, vor dem die drei standen. Es war dies ein sogenannter Mark- oder Grenzbaum, ein Baum, den einer umgehauen und um dessenwillen die drei falsch geschworen hatten. Plötzlich überfiel den Müller ein krampfhafter Husten, worauf die Männer verschwanden und er wieder den richtigen Weg vor sich sah. Als er heimkam legte er sich auf's Totenbett. Der Schrecken hatte ihn übermannt.

*) Der Dialektausdruck heißt Moaba(u)m.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen