DAS SCHLOß AUF DEM LUITBERGE

Auf der westlichen Seite des Luitberges stand einst die Stammburg der Edlen von Warzin. Von dem letzten Besitzer der Burg erzählt das Volk, daß er ein harter, ja grausamer Herr gewesen sei, der die vorüberreisenden Kaufleute ausplünderte und seine unermeßlichen Schätze in unterirdischen Gängen aufbewahrte. Er nahm auf der Jagd ein trauriges Ende; sein Geist aber irrte noch lange umher; besonders zeigte er sich in den Spätherbstnächten, der Zeit, zu der er seine Raubzüge ausgeübt.

An einem solch trüben Herbstabend kam einmal ein österreichischer Rittersmann in die verlassene Burg gesprengt, um dort Unterkunft für die Nacht zu suchen. Er wartete im Schloßhof auf den Burgwart, der ihn zum Burgherrn führen sollte. Es blieb jedoch alles totenstill. Plötzlich leuchteten einige Fenster hell auf und in einem derselben zeigte sich die Gestalt eines Greises, der dem Ritter winkte. Dieser sprang vom Pferde, band die Zügel an einen nahen Pfahl und begab sich nach dem Saale, wo er zu seinem Erstaunen den Burgherrn ganz allein fand. Zwischen beiden entspann sich bald ein eifriges Gespräch. Als aber der Gast von den Kaufleuten erzählte, die ihm begegnet seien, da fingen die Augen des Alten zu glänzen an und er sprach von seinen Raubzügen und den erbeuteten Schätzen und lud den Ritter ein, seine Reichtümer zu besichtigen. Sie kamen in ein weites, von Modergeruch erfülltes Gewölbe, das rings mit Ballen und vollgepfropften Säcken angefüllt war. In einer Ecke stand eine umfangreiche eiserne Kiste, auf der ein schwarzer Hund saß, der seine feurigen Augen schrecklich rollte und die scharfen Zähne fürchterlich fletschte. Entsetzt wich der Ritter zurück. Da fing der Boden unter seinen Füßen zu wanken an, ein gräßliches Getöse erhob sich und an der Stelle, wo der Burgherr stand, tat sich ein schauerlicher Abgrund auf, aus dem Feuer empor loderte. Der Burgherr sah den Ritter mit höhnischem Grinsen an und sank darauf in die entsetzliche Tiefe hinab.

Dem Ritter schwanden die Sinne; bewußtlos fiel er auf das kalte Pflaster. Als er nach langer Zeit wieder zu sich kam, verließ er schleunigst den grauenvollen Ort und ritt zur benachbarten Burg Herrenstein hinüber, wo er um Beherbergung bat und sein Erlebnis erzählte. Hier erfuhr er, daß die Burg auf dem Luitberge schon lange Zeit unbewohnt und jener Burgherr bereits seit Jahren tot sei. Vor Schreck traf ihn der Herzschlag und er stürzte entseelt zu Boden.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen