DAS LICHTLEIN IN DER GEGEND VON MAHD

Zwischen Steinhügel und Mahd kann man noch heutigen Tages dann und wann ein Lichtlein sehen. Die alten Leute erzählen, daß dasselbe seit der Zeit geistert, als einmal auf dem Wege ein Bruder den anderen im Zorne erstochen hat. Beide Brüder waren an "Maria Geburt" beim Ziglwirt in Mahd und vergnügten sich beim Gerstensaft. Es dauerte jedoch nicht lange, so gerieten sie in Streit, der bald sehr ernste Formen annahm. Um einem Unglück vorzubeugen, machte sich der eine endlich auf den Heimweg; der andere jedoch folgte ihm und stach ihn bei dem Marterl mit dem Marienbilde nieder.

Also seit jener Zeit ist das Lichtlein zu sehen. Es geht stets dieselbe Strecke. Leute, die ihm begegneten und scheu aus dem Wege gingen, hörten es leise seufzen.

Ein übermütiger Bursche wettete eines Abends mit seinen Kameraden, daß er den Mut haben werde, es anzusprechen. Er ging auch auf das Lichtlein zu und rief den alten Bannspruch: "alle guten Geister loben Gott den Herrn! Was ist dein Begehrn?" zum Spaße rückwärts. Da flog das Lichtlein mit einem herzzerreißenden Seufzer davon. Darauf hat man es längere Zeit nicht mehr beobachtet. Endlich erschien es wieder. Nun begegnete ihm in dunkler Nacht ein Bauer aus Steinhügel, der von der Straße abgekommen war und dachte: "wenn's mir nur leuchten wollte! Ich ließe eine Messe lesen!" Da war das Lichtlein auch schon bei ihm und leuchtete, daß er bald den Weg wieder fand. Einige Schritte vor seinem Hofe blieb es wartend stehen. Der Bauer lachte roh vor sich hin und sagte: "jetzt brauch ich dich nimmer! Verschwind!" Dafür bekam er einen so derben Schlag auf den Mund, daß er zu Boden stürzte. Des andern Morgens fanden ihn seine Leute bewußtlos neben dem Düngerhaufen. Lange Wochen war er krank und während seiner Krankheit erinnerte er sich plötzlich der versprochenen Messe, die er denn auch sofort lesen ließ. Nun konnte er schnell wieder aus dem Bette. Ein andermal verirrte sich wieder einer. Er versprach auch eine Messe, worauf ihn das Lichtlein ebenfalls auf den rechten Weg brachte. Die Messe wurde jedoch nicht gelesen. Der Mann vergaß darauf. Nach einiger Zeit kam er in der Dunkelheit wieder vom Wege ab. Er rief nach dem Lichtlein. Es kam und leuchtete ihm; aber bald gewahrte er, daß es ihm einen falschen Weg wies. Er konnte sich nicht helfen; er fühlte sich wie von einer höheren Macht gezwungen, ihm zu folgen. Endlich, nachdem der Morgen graute und der erste Hahnenschrei ertönte, merkte er, daß er sich wohl auf einer bekannten Straße, jedoch mehrere Stunden weit von seinem Anwesen entfernt, befand. Auf dem Heimweg fiel ihm die früher versprochene Messe ein, die er darauf lesen ließ.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen