DAS FEDERLEIN

Bei einem Bauern im Vilstale war es im Pferdstalle längere Zeit nicht recht geheuer. Einmal fingen des Nachts alle Gäule an zu wiehern und zu stampfen, als würden sie recht gemartert, ein andermal waren sie ledig und standen verkehrt in ihrem Stande, ein drittes Mal waren ihnen die Mähnen geflochten usw. Der Bauer ging nun zum Nachbarn, der ein kluger und verständiger Mann war und fragte ihn um Rat. Dieser meinte, es könne gar nicht anders sein, als daß die Trud da im Spiele sei; darum solle er auf jedes verdächtige Zeichen wohl merken und wenn er etwas Unrechtes fände, soll er es auf der Stelle verbrennen. Des anderen Tages ging nun der Bauer schon in aller Frühe in den Pferdestall und hielt Umschau. Da gewahrte er, daß dem Rappen wieder die Mähne geflochten war; auf dem Rücken aber lag ihm ein weißes Federlein. Das nahm er - wohl etwas zaghaft - und warf es in den Ofen, wo bereits ein lustiges Feuerlein prasselte. Als nun die Dienstboten sich um den Tisch zur Morgensuppe versammelten, fehlte eine Dirne. Man suchte nach ihr im ganzen Hause herum, fragt überall in der Nachbarschaft; aber nirgends war sie zu finden. Auch später kam sie nie mehr zum Vorschein.

Michael Waltinger, Niederbayerische Sagen