Der Teufel tödtet [tötet] den Drachen

Als der heilige Bischof Narcissus [~ von Gerona] nach Augsburg gekommen war, bat ihn eines Tages der Teufel, dass er ihm gebe eine Seele, in einem Leib beschlossen eines Essenden und Trinkenden und Schlafenden und Wachenden. Der Heilige versprach es ihm vor Gott. Des anderen Tages kam der Teufel wieder und sagte:

"O heiliger Bischof, bis eingedenk deines Eides, den du geredt hast vor deinem Gott: gib mir eine See!', deren Leib ich tödte, und die ich bei mir gehaben mag!"

Narcissss gebot aber dem Teufel zu schwören, dass er den alsbald tödten werde, den er in seine Gewalt geben wolle. Da sprach der Teufel zu ihm:

"Durch den, der uns sammt unserem Fürsten überwunden hat, will ich ihn zehand ertödten, den du mir in meine Gewalt gibst."

Darauf sprach der Heilige:

"Geh von hier in das hohe Gebirge der Alpen, dort siehst du einen Brunnen, von dem niemand ein Wasser mag getrinken, weder Vieh noch Leute, denn ein greulicher Drache wohnt bei dem Brunnen, und von seinem giftigen "Plast" (Blasen) sterben alle, die dahin zu demselben Brunnen gehen. Tödte den Drachen und zwing seine Seele in deine Gewalt!"

Da schrie der Teufel mit der greulichen Stimme eines scharfen Löwen und sprach:

"O, wie ein lügender Bischof, der mich verbunden hat mit meinem Eide, dass ich meinen Freund, den Drachen, tödte, und ob ich ihn nicht tödte, so zwinget er mich zu gehen in den Abgrund der Hölle!"

Darnach da ertödtete der Teufel den Drachen bei dem Brunnen im Gebirge, und der Brunn ward erlediget zum Nutzen der Menschen bis auf den heutigen Tag.

Quelle: Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf Heyl, Brixen 1897,
Nr. 4, S. 13