Der Haslocher Weinbergsmann

Früher, als bei Hasloch am Main noch viel Wein gepflanzt ward, hatten einmal die Winzer ein solch reiches Erntejahr, dass sie ihre Trauben kaum unterbringen konnten.

Nun fuhr damals ein Weinbauer mit den übervollen Kufen heimwärts. Er knallte lustig mit der Peitsche, die Glöckchen der Pferde klangen so hell, und von den reich gesegneten Hügeln donnerten die Böllerschüsse der Freude ins Tal.

Das schwer beladene Fuhrwerk rollt also dem Dorfe entgegen. Am Eingange steht ein weißhaariger Greis, winkt und bittet um ein Traubenbündel. Was tut der reiche Winzer? Der Geizhals schüttelt verächtlich lachend den Kopf, knallt hochmütig mit der Peitsche und fährt weiter, ohne sich um den alten gebrechlichen Mann zu kümmern. Und der Greis? Zunächst ist er wie versteinert, dann aber hebt er die mageren Hände, verflucht den Winzer und wünscht ihm, daß er samt den gefüllten Weinkübeln in die Erde sinken solle. Und wahrhaftig! Die Erde tat sich plötzlich auf, und der Reiche war im Augenblick mit seinem Gespann und mit allem, was auf dem Wagen war, untergesunken. Auch der weißhaarige Bettler war nicht mehr zu sehen.

Jedes Jahr nun, wenn der Wein reift, will der verwünschte Winzer ans Tageslicht und nach den Trauben sehen. Du hörst sein Peitschenknallen, und je heller die Glöckchen der Pferde klingen, desto mehr freuen sich die Hacker und Winzer, weil dann der Wein besonders gut gerät.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 159f