Das Siechenhaus bei Leider

Ehedem führte die Landstraße von Aschaffenburg nach Frankfurt an Leider vorüber. Zwischen Leider und der Stadt befand sich damals eine Herberge. Der Wirt, der sich nach draußen ehrbar und fromm stellte, war in Wirklichkeit ein gemeiner Schnapphahn. Nachts überfiel er manchen Reisenden und beraubte ihn. Er hatte in listiger Weise Schnüre über den Weg gespannt und an einer Glocke im Hause befestigt. Wenn hernach die Leute, die des Weges zogen, mit der Schnur in Berührung kamen, begann die Glocke zu läuten. Da eilte der Wirt mit seinen Spießgesellen hinaus, schlug die Ahnungslosen nieder und plünderte sie aus. Es dauerte lange, bis seine nächtlichen Übeltaten offenbar wurden. Alsdann aber musste er Raub und Mord am Strange büßen. Die Herberge wurde zerstört und an ihrer Stelle eine Kapelle errichtet. Daneben ließ später die Stadt Aschaffenburg wegen der häufig wiederkehrenden Pest ein Siechenhaus erbauen. Lange Zeit fanden die von der Seuche Befallenen darin Unterkunft und Pflege.

Bei den vielen Kriegszügen, welche das Maintal heimsuchten, wurde auch das Siechenhaus zerstört. Und weil die Pest nicht mehr auftrat, hatte die Stadt keinen Grund, es aufs Neue zu errichten, und so verschwand es bis auf die Fundamente, die man noch hie und da beim Pflügen findet.

Von der Siechenkapelle, die auch fast ganz zerfallen war, baute man nur einen kleinen Teil wieder auf; das Leiderer Kapellchen, wie es bis heute erhalten geblieben ist. Dadurch weiß man jetzt noch, wo früher das städtische Siechenhaus für die Pestkranken gestanden hatte.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 18 - 19.