Der Siebenertanz zu Kreuzwertheim

Es war im 17. Jahrhundert, als die Pest ihr Verderben durch den ganzen Maingrund trug. Damals wurde auch Kreuzwertheim von der schrecklichen Seuche befallen. Fast an jedem Hause hing ein Strohwisch zum Zeichen, dass die Pest Einkehr gehalten hatte, und über dem einst so blühenden Dorfe lag die unheimliche Stille des Todes. Als sich eines Herbstmorgens ein Mann auf die verödeten Gassen wagte, sah er, wie eine Frau in nebelgrauem Gewände den Ort verließ und die Höhe gegen Unterwittbach hinaufwanderte. Der Kreuzwertheimer dachte sich, das müsste die Pest sein, die nach langem Wüten endlich fortzöge. Und wirklich, jetzt erlosch die furchtbare Seuche, aber wie viele Leute lebten noch? Es waren bloß noch acht Männer übrig, die nun wieder zu arbeiten begannen, die Gassen säuberten und die toten Ortseinwohner begruben. Hernach teilten sie die herrenlosen Güter der Dorfmarkung untereinander auf, bebauten sie fleißig und wurden wohlhabende Leute, so dass man sie allenthalben im Umkreis die "Achtherren" nannte. Mit den Jahren endigte von ihnen einer nach dem anderen seine irdische Lebensbahn, bis dem Letzten sein Stündlein schlug, da er hinscheiden sollte. Und an die sieben Söhne, die sein Sterbelager umstanden, gab er sein großes Vermögen, wie es Rechtens war, in gleichen Teilen. Und er sagte noch, dass er zur Zeit der Pest nahe am Verzweifeln gewesen wäre. Wie aber der Frühling gekommen sei und im Freien alles zu blühen und grünen angefangen habe, sei in ihm neuer Mut erwacht und ein fester Wille gewachsen, der Krankheit zu widerstehen. Er wäre dann auch verschont geblieben und hätte die Monate der Heimsuchung überlebt. "Vergesst nicht der bösen Zeiten", fügte er hinzu, "aber freut euch jetzt an den besseren Tagen, die ja immer den trüben Tagen folgen, wie nach einem harten Winter der milde Frühling kommt. So sollt ihr in der Zukunft jedes Jahr am Ersten Mai den schönsten Eichbaum fällen, mitten im Dorfe aufstellen und mit Frau und Kind fröhlich darum tanzen und singen. Der Stamm soll vorher öffentlich versteigert werden, und von dem Erlös gönnt ihr euch an jenem Tage einen guten Trunk."

So geschah es fortan auch. Jedes Jahr am 1. Mai wurde, wie der Letzte der Achtherren gewünscht hatte, die stärkste Eiche eingeholt; es ward froh gezecht, gejubelt und getanzt. Und diese Belustigung hieß man den "Siebenertanz". Der fröhliche Brauch vererbte sich von Geschlecht zu Geschlecht und damit auch die Erinnerung an jene furchtbare Zeit der Pest.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 210f