Der Schwedenkopf

Im Dreißigjährigen Kriege hatte auch Eschau, ehemalig ein bekannter Marktflecken des Vorspessarts, zahlreiche Drangsale zu erdulden. Brandschatzungen und Plünderung ließen die Einwohner verarmen, und nach dem Hunger stellte sich die Pest ein. Die schreckliche Seuche raffte ganze Familien dahin, und die Toten wurden ohne Sarg und ohne Sang und Klang eingescharrt. Man schrieb die Krankheit einer Vergiftung der Brunnen zu, und so suchte man sich durch Ausgrabung frischer Brunnen zu helfen. Zuerst wurde ein neuer Brunnen an der Kirchentreppe gegraben, hernach einer in der so genannten Vorstadt und außerdem noch ein solcher beim Hause des Wagners, der im Volksmunde der Millionenwagner heißt. Aber das Wasser, das aus allen diesen Brunnen floss, hatte die bläuliche Farbe und war Pestwasser. Endlich wollte man noch einen letzten Versuch wagen und grub den fünften Brunnen in der Mitte des Dorfes. Aber es fehlte an Händen, die wacker mit Zugriffen; denn die Pest hatte schon so aufgeräumt, dass die wenigen Leute, die gesund und kräftig waren, für das begonnene Werk nicht ausreichten.

Da kamen gerade, als man schon daran dachte das Unternehmen aufzugeben, die Schweden ins Dorf, eine ganze Kompanie. Und weil sie für längere Zeit in Eschau Quartier beziehen wollten, erboten sie sich, den Brunnen zu graben. Sie hatten ihn auch bald fertig gestellt. Man untersuchte das Wasser voller Spannung und Erwartung, ob es genießbar wäre, und siehe, es war hell und klar und konnte ohne Bedenken getrunken werden. Doch die Leute waren ängstlich geworden und fürchteten, der neue Brunnen werde nach kurzer Zeit doch wieder trübes Wasser haben. "Ei", sagte der schwedische Hauptmann, "ich rate euch, lasst einen Schwedenkopf aushauen und am Brunnen anbringen; da bleibt das Wasser unversehrt; denn vor einem Schweden fliehen selbst Pest und Teufel." Und die Leute folgten dem Rat, ließen neben dem Brunnen eine Säule errichten und darauf einen aus Stein gemeißelten Kopf befestigen, der den Kopf eines Schweden vorstellen sollte.

Die Säule, an der die Schweden ihre Pferde beim Tränken anhängten, nannte man die "Schwedensäule", und der Kopf darauf wurde "Schwedenkopf" genannt. Die Säule blieb als Wahrzeichen des Dorfes bis ins 19. Jahrhundert bestehen. Der Brunnen aber gab sein Wasser stets hell und unverdorben und wurde erst nach dem Bau einer Wasserleitung zugeschüttet.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 110f