Der Ruppertshüttener Brunnen

Das Dorf Ruppertshütten hat nur einen einzigen Brunnen, und der wird aus einer Quelle gespeist. Früher soll der Brunnen weiter oben, gegen die Schanze, ausgelaufen sein. Dort droben wohnte ein Jäger, der den Leuten im Sommer, wenn die Quelle nur wenig Wasser führte, oft das Wasserholen verbot. Eines Tages kam ein alter Mann, um für seine kranke Frau einen Trunk frischen Wassers zu schöpfen. Der Jäger aber wies ihn fort mit den Worten: "Unten an der Mühle hast du Wasser soviel du brauchst; geh nur dort hinab!" Der Alte bat aber zum zweiten- und dritten Mal: "Lass mich doch meine arme, kranke Frau laben, sie verschmachtet in ihrer Fieberhitze!" "Ei", erwiderte lachend der Jäger, "so schlimm wird's nicht sein, mach', dass du weiterkommst!" Da stieß der alte Mann einen bösen Fluch gegen den Jäger aus, und nun geschah es, dass der Brunnen still wurde und ganz versiegte. Das frische Wasser kam von nun an weiter unten ans Tageslicht, nämlich dort, wo es noch heute hervorsprudelt. Der Jäger erschrak darüber so sehr, dass er nach drei Tagen verstarb. Aber er findet im Tode keine Ruhe. Wenn große Trockenheit herrscht und das Wasser knapp ist, muss er Wasser von der Mühle im Talgrund gegen Langenprozelten zum Dorfe tragen. Er schleppt dann immer zwei Eimer voll an einer Stange, die ihm über der Schulter liegt. Er geht am Waldrande hin und stöhnt und flucht dabei. Bis er ins Dorf kommt, ist das Wasser verdunstet, und dann muss er den Weg von neuem gehen.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 184f