Das Liesbethchen von Mönchberg

In einer Zeit, da man noch an Hexen glaubte, hatten die Mönchberger einen Schultheiß, Staudersjörg genannt. Der war sehr reich, aber ein böser Mensch und galt auch als großer Hexenmeister. Obwohl seine Schandtaten dem Amtmann und der ganzen Gemeinde bekannt waren, wollte sich doch keiner an ihn wagen aus Furcht, dass er ihm eine antun möchte, und so wurde er je länger desto kecker und übermütiger. Bei allen schlimmen Händeln hatte er die Hand im Spiele. Endlich aber, nachdem er es viele Jahre ungestraft getrieben, kam ein Amtmann, der war sehr scharf und wollte dem Greuel endlich ein Ende machen. Er gab daher den Befehl, den Staudersjörg einzubringen und hinter Schloss und Riegel zu setzen. Als dieser davon hörte, wusste er wohl, dass es ihm ans Leben ginge. Aber er bereute nichts, sondern wurde dermaßen zornig und erbittert, dass er die ganze Welt hätte umbringen können. In seiner Raserei ging er zuerst in den Stall und stach die schönste Kuh tot, die er hatte. Dann lief er hinaus ans so genannte Hexenbrünnlein oberhalb der Waldmühle, wo er eine Wiese besaß, und fand dort das Liesbethchen, die als Magd bei ihm diente, mit dem Grasstrumpf Futter machen. Sie war auch aus Mönchberg und ehrlicher Leute Kind. Wie er sie sieht, schreit er sie an, sie habe ihm seine beste Kuh verfüttert, daheim liege sie mausetot im Stall. Die Liesbeth müsse nun solche bezahlen, wenn nicht, so wolle er sie in den Turm sperren und krumm schließen lassen, auch Vater und Mutter dazu; und er wolle ihr in der ganzen Gegend ein Geschrei anrichten, dass sie keinem Menschen mehr unter die Augen treten dürfe. Darüber entsetzte sich das Mädchen so sehr, dass sie die Hände rang und laut jammerte, und als er wieder fort gegangen war, weinte sie immer noch und wusste sich nicht zu helfen.

Da steht mit einem Male einer neben ihr und fragt, weshalb sie so klage. "Ach", antwortete sie, sie habe ihrem Herrn die beste Kuh verfüttert und könne doch nichts dazu: jetzt solle sie die Kuh bezahlen und hätte doch kein Geld, und ihre Eltern hätten auch nichts. Wenn's einem so gehen könne, da müsse doch kein Gott im Himmel sein. Der Fremde bot sich ihr als Freund an und meinte, er werde das Geld sogleich herbeischaffen, und sie brauche ihm nur ihre Seele zu verschreiben. Weil sie nun vor Angst nimmer wusste, was sie tat, versprach sie's - der Fremde aber war der Teufel. Sie wollte mit ihm heimgehen und unterschreiben; er sagte aber, das sei nicht nötig. Feder und Papier habe er bei sich, und vom Finger laufe ihr ja Blut, damit könne sie auch unterschreiben. Da guckte sie ihre Hand an und wirklich! Sie musste sich mit der Sichel geschnitten haben, das hatte sie wohl gar nicht bemerkt.

Sie unterschreibt also, der Teufel nimmt die Schrift, gibt ihr einen Beutel voll Geld und entfernt sich. Sie aber hebt das Tuch mit dem Gras auf und geht heim. Sie kommt am elterlichen Haus vorbei und hört drinnen ihre Mutter wimmern, als wenn sie krank wäre. Wie sie dann eilends in die Scheune tritt und das Gras auf die Tenne wirft, sieht sie ihren Herrn vor sich. Der hatte sich an einem Balken aufgehängt, aus Furcht, er würde draußen auf dem Platz, den man "Hexenbrand" hieß, öffentlich verbrannt werden.

Das Liesbethchen geht in den Stall, um nach der verendeten Kuh zu sehen und bemerkt, dass die Kuh nicht verfüttert, sondern tot gestochen worden war. Da fällt es ihr zentnerschwer aufs Herz, dass sie umsonst ihre Seele dem Satan verschrieben habe, jammert noch mehr als zuvor und läuft zum Pfarrer. Sie erzählt ihm, was vorgefallen war und bittet um Rat, wie sie ihre arme Seele retten und von dem Bösen loskommen könne, denn ihre Verzweiflung sei grenzenlos. Der Pfarrer sagte, sie solle das Geld sogleich wegwerfen, in die Kirche gehen und beten und diese nicht eher verlassen, bis er's ihr sage.

Unterdes war es Abend geworden. Wie sie nun aus dem Hause tritt, steht der Teufel da, bietet ihr die Zeit und sagt: "Ich habe mein Geld wieder klingen hören; wo willst du hin, doch nicht in die Kirche?" "Zu meiner Mutter", sagt das Liesbethchen, "die am Brunnen wohnt; lass mich gehen, ich fürchte mich vor dir" - und will vorbei. "Warum hast du's so eilig?" fragt der Teufel, während er neben ihr hergeht und sie am Rocke festhält, "nimm mich auch mit!" Das Liesbethchen sagt: "Ach, mir ist angst, die Mutter stirbt, und ich sehe sie nicht mehr in alle Ewigkeit." "Ha", antwortet der Teufel, "sie wird wohl nicht gleich sterben" und packt das Liesbethchen bei der Hand. "Lass mich geh'n", bittet es, fängt an zu weinen und zu schluchzen und sucht von ihm loszukommen. Aber der Teufel hält sie fest wie mit eisernen Zangen.

Indem fängt es an, auf dem Kirchturm zu Abend zu läuten; und die Leute, die noch auf der Gasse waren, ziehen die Mütze vom Kopfe und beten. Der Teufel aber muss vor jedem, der betet, stehen bleiben und kann nicht eher vorbei, als bis jener ausgebetet hat. Wie dies das Mädchen merkt, fängt sie zu laufen an, geht aber nicht in ihr Haus, sondern will so schnell wie möglich die Kirche erreichen, und der Teufel bleibt immer weiter zurück, und wie das Mädchen hinaufgekommen ist und auf die Kirchenstaffel tritt, schaut sie sich um und sieht den Teufel wie fest gebannt noch unten stehen. Dort stand ihr Vater und betete noch, und sie erkannte ihn an seinem hellfarbenen Kittel.

Nun hört das Läuten auf, und in demselben Augenblick kommt ihr der Teufel nach wie ein Sturmwind, packt sie an den Haaren und sagt: "Es hilft dir nichts, Liesbeth! Hättest du das Geschrei bei dem Pfarrer nicht gemacht, so hättest du noch eine Weile gute Tage haben können; jetzt aber ist's aus. Vor einer Stunde habe ich deinen Herrn geholt, jetzt hole ich seine Magd. Aber die Kirche sollst du dir noch einmal ansehen." Wie er das sagt, fährt er mit ihr in die Höhe und dreimal um den Kirchturm herum, das Liesbethchen aber fängt an zu beten: "Herr Jesus, dir leb ich; Herr Jesus, dir sterb ich." Da muss der Teufel sie auf die Erde niedersetzen; wie er's aber getan, fällt das Mädchen um und ist tot.

Den Staudersjörg haben die Henkersknechte abgeschnitten und, weil er ja allgemein für einen Hexenmeister gehalten ward, draus auf dem "Hexenbrand", dort, wo der Wildenseer Grund nach Mönchberg hinüberbiegt, einfach eingescharrt.

Für das Liesbethchen aber hat der Pfarrer Fürbitte eingelegt, und so ist es ehrlich begraben worden. Seine Mutter ist bald darauf auch gestorben, und sein Vater ist weggezogen.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 127ff