Der Kürlesgarten

Kurt von Rosenberg überragte an Größe und Stärke fast alle Ritter der Gegend und konnte es daher wagen, sie ungestraft zu necken und mit ihnen seinen Spott zu treiben. Das tat er nun auch bei jeder Gelegenheit, und als einmal der Fürstbischof von Würzburg, Gottfried von Hohenlohe, den Adeligen des Frankenlandes ein großes Fest gab, fing er das Hänseln und Spotten wieder an. Diesmal galt es dem Grafen Asmus von Wertheim, der nahe dem Rosenberger an der Mittagstafel saß und anfänglich tat, als höre er nichts von den sticheligen Worten. Wie aber der andere immer weiter höhnte, sprach er endlich zornig: "Lasst Euer Spotten, Ritter, ich rate Euch!" Der Graf war freilich nur von mittlerer Größe, hatte aber schon in manchem Turniere bewiesen, dass er ausgezeichnet fechten konnte. Er wollte die Schmähungen des Rosenbergers nicht länger anhören und war entschlossen, ihnen ein Ende zu bereiten. "Was will das Männlein dort drüben", spottete nun auf des Grafen Verweis der Ritter von Rosenberg, "schade, dass wir nicht unten am Maine sind, ich hätte Lust, sein hitziges Köpflein ein wenig in den Wellen zu kühlen." Jetzt konnte sich der Graf nicht mehr länger zurückhalten und forderte den Unverschämten zum Zweikampf heraus.

Am anderen Tage ritten Kurt von Rosenberg und der Graf nebeneinander, wie wenn nichts vorgefallen wäre, die Straße gegen Wertheim. In einem Garten am rechten Ufer der Tauber, gleich oberhalb des Städtchens, sollte der Kampf ausgetragen werden.

Die Gräfin hatte durch einen treuen Knappen den Zwist mit dem Rosenberger erfahren und war in großer Angst, wie der Streit ausgehen würde. Die Frau steht auf dem Söller und späht in den Garten hinab, wo soeben der Zweikampf beginnt. Die Schwerter blitzen und erklingen laut an den Schilden der Ritter. Die Gräfin weint und jammert nicht, sondern wünscht nur mit heißem Herzen den Sieg ihres Gemahls.

Immer erbitterter wird der Kampf, und wuchtig erdröhnen die Schläge des Rosenbergers. Wankt der Graf? Nein, der Zorn verleiht ihm besondere Kräfte, und an Gewandtheit ist er dem etwas schwerfälligen Gegner ohnehin überlegen. Hin und her geht das Streiten. Hieb auf Hieb. Schon bluten beide, doch keiner gibt nach. Die Frau droben auf dem Söller faltet die Hände. Ha! Jetzt holt Asmus von Wertheim zum Schlage aus und trifft in heißem Grimme den Rosenberger derart, dass er hinfällt und sich nicht mehr zu erheben vermag. Er muss sich als überwunden erklären. "Wer könnte nun drunten am Maine abgekühlt werden, Herr Kurt?" sprach der Sieger, "soll ich's etwa versuchen?" Der früher so großmaulige Ritter schwieg.

Da kam schon die Burggräfin herzugeeilt und führte ihren Gemahl, der auch sehr erschöpft war, aufs Schloss. Sie verband seine Wunden und pflegte ihn gesund.

Dem geschlagenen Feinde hatte die Gräfin einen Diener in den Garten hinausgeschickt, der hob den Schwerverletzten aufs Pferd und brachte ihn nach der Burg Rosenberg.

Jener Garten, wo der Zweikampf ausgetragen wurde, heißt noch heute im Volksmund der Kurts- (Kurie) oder Kürlesgarten.

Manche Wertheimer Leute, die daran vorbeikamen, hörten das Klirren und Klingen von Schwertern, doch gesehen haben sie nichts.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 206ff