Die Hesselburg

Wer an der Südseite der Pflaumheimer Gemarkung dahinschreitet, kommt zu den so genannten "Schloßäckern". Dort erhob sich vor langen Jahren die stattliche Hesselburg, in welcher die Grafen von Berbach hausten. Diese hatten die Verwaltung des Bachgaues inne und sollten Sorge tragen, dass die Dörfer des Gaues nicht Not litten. Einmal nun waren die Bewohner einiger Ortschaften durch Mißwachs und Krankheit in große Armut gekommen, so dass viele Leute hungern mussten. Die Grafen von Berbach aber schwelgten im Reichtum, und aus dem geräumigen Backofen des Schlosses kam täglich mengenweise das frische, duftende Brot. Hätte man doch davon an die hungernden Menschen der Umgebung verteilt! Allein die Grafen dachten nicht daran und wiesen die Bittsteller verächtlich ab.

Wo sind nun heute Grafen und Schloss? Das Geschlecht der einstigen gräflichen Herren ist ausgestorben, und ihr festes Schloss ist vom Erdboden verschwunden. Der Pflug des Bauern geht über die Stelle und stößt ab und zu noch an einen Quader der Grundmauern. Einmal schritt ein Bauersmann um die Mitternachtsstunde über die Schlossäcker. Da gewahrte er zwischen den Saatfeldern einen Lichtschein und ging darauf zu. Vor seinen Augen öffnete sich ein uraltes Kellergewölbe, und er sah in der Tiefe einen riesigen Backofen, aus dem mehrere Männer einen Laib Brot nach dem anderen nahmen. Der Duft des frischgebackenen Brotes stieg dem Bauern in die Nase; aber er hatte keinen Gefallen daran, sondern erschrak so sehr, dass er in höchster Eile ins Dorf lief. Am nächsten Morgen ging er noch einmal auf den Acker hinaus und an denselben Platz. Allein er fand keinen Eingang ins Erdinnere mehr und erblickte bloß noch die grüne Roggensaat.

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 99