Der gehobene Schatz

Ein Bauer von Preunschen ging einmal von der Arbeit auf seiner Wiese im Uinglerstal heim. Als er beim Fuße der Wildenburg an dem Brunnen vorbei schritt, wo früher die Bewohner der Burg ihr Wasser holten, sah er dort einen Mann sitzen. Der sprach ihn an und fragte, ob er mit ihm gehen wolle. "Da drinnen in der Burg", sagte er, "steht eine Kiste, und auf ihr liegt eine Schlange, die hat einen feurigen Schlüssel im Maul. Den Schlüssel nimmst du der Schlange ab und machst damit die Kiste auf, die ganz voll Geld ist. Wir zwei teilen uns dann in das Geld. Fürchte dich ja nicht, es geschieht dir nichts." Der Bauer ließ sich überreden, und sie gingen zusammen vom Brunnen aus durch einen unterirdischen Gang nach der Burg. Zuerst kamen sie in einen Raum, darin standen lauter Pferde. Die schnauften, tobten und schlugen aus, dass die Funken flogen. Hinter den Pferden aber mussten die beiden vorbeigehen. Sie kamen hernach in eine zweite Stube mit lauter Schlangen, und die zischten und züngelten ihnen wütend entgegen. Der Unbekannte redete dem Preunschener gut zu, er solle sich nur nicht fürchten, und so gelangten sie in die dritte Stube. Darinnen stand wirklich die Kiste, und auf ihr lag die Schlange mit dem feurigen Schlüssel im Maul. Zitternd nahm ihr der Preunschener den Schlüssel ab und öffnete geschwind die Kiste. Die war bis zum Rand mit Gold und Silber gefüllt. Der Fremde nahm sogleich die Hälfte des Schatzes an sich, während der Preunschener Bauer die andere Hälfte erhielt. Auf dem Rückwege mussten die zwei Schatzsucher noch einmal an den Schlangen und Pferden vorbeigehen.
Max Walter

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 143ff