Der Frevlerbauer

Auf dem Achtelsberg bei Hafenlohr konnte man früher mitten im Feld einen großen verwitterten Felsen aus rotem Sandstein liegen sehen. Wie kam der gewaltige Stein dahin?

Auf jenem Felde pflügten einst während des Frühgottesdienstes ein Bauer und sein Knecht. Der Bauer war ein geiziger und habgieriger Mensch und hörte nicht zu pflügen auf, als das Wandlungsglöcklein erklang. Der fromme Knecht dagegen nahm seine Mütze ab und verharrte nach altem Brauch in kurzem Gebet. Der Bauer schimpfte den Knecht, er stehe faul da und schlage die Zeit tot; aber der Knecht erwiderte: "Herr, es läutet zur heiligen Wandlung!" - "Ist mir gleich", erwiderte gereizt der Bauer, "Wandlung hin, Wandlung her, mein Feld muss gezackert wer" (werden).

In demselben Augenblick erstarb das Geläute; ein Brausen erfüllte die Luft, und als der Bauer auf ein Steinchen in der Ackerfurche trat, schwoll es zu ungeheurer Größe an, hob den Bauern samt Ochsen und Pflug empor, und der Mann und die Tiere standen wie versteinert auf dem Rücken des Felsblockes.

Der Knecht lief in grausigem Schrecken querfeldein ins Dorf und erzählte dort, was sich zugetragen hatte. Da eilten nun die Leute hinaus, und wie sie an den Acker kamen, war der Bauer mit den Ochsen und dem Pflug verschwunden, wohin, wusste niemand. Der mächtige Steinblock lag noch an seiner Stelle, und auf seiner Oberfläche waren die Fußspuren des Bauern eingedrückt, ferner die Spuren von acht Ochsenhufen und solche des Pflugrades und der Schar.

Der Stein blieb bis zum Jahre 1880 liegen. Als die Eisenbahn Lohr-Wertheim gebaut wurde, ließ ihn der Besitzer mit Pulver sprengen und die Stücke, etwa hundert Fuhren, zu Brücken- und Wasserbauten an der Bahn verwerten.
J. O. Peter

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 153