Der Bürgermeister-Fuchs

Es war ein Schweinheimer Bürger, dem wurde die Gemeindekasse anvertraut, und die hätte er nun richtig verwalten sollen. Aber der schlaue Kunde ließ manchen Taler, der in den Gemeindesäckel gehörte, in der eigenen Tasche verschwinden, ohne dass ihm jemand den Betrug nachweisen konnte. Es war ein ganz verschlagener Schelm, der sich aufs Betrügen verstand wie kein zweiter. Die Leute in der Gemeinde Schweinheim flüsterten sich einander zu, dass er schlau wie ein Fuchs wäre und sich bei seinen Schlichen nicht fangen ließe, aber deswegen sei er noch lange nicht ehrlich, sondern ein Gauner durch und durch. Und weil man seinerzeit den Gemeindeeinnehmer als Bürgermeister betitelte, nannten ihn die Leute wegen seiner Schlauheit und Listen einfach den Bürgermeister-Fuchs.

Um den Tod konnte sich der Schlaue jedoch nicht herumdrücken, der war eines Tages da, und alle Schlauheit nützte nichts mehr. Der Tod packte ihn, und da geschah es also, dass der Bürgermeister-Fuchs starb.

Nach ihm kam ein anderer Bürgermeister; aber wie das Sprichwort sagt: "Es kommt selten etwas Besseres nach", war der neue Bürgermeister noch schlimmer als der alte.

Einmal saß der neue Bürgermeister mit dem Gemeindevorsteher, dem Schulzen, bis tief in die Nacht im Rathaus, und sie besprachen sich, wie sie der Gemeinde wieder ein X für ein U vormachen könnten. Da sprang plötzlich die Stubentür weit auf, und herein trat ein riesiger Fuchs mit einem langen Schwanz. Lange schaute er den Bürgermeister und Schulzen, denen der kalte Angstschweiß ausbrach, eine Weile starr an und sprach mit einer Stimme, nicht wie ein Fuchs, sondern wie ein Bär:

"Zur Strafe meiner Diebereien muss ich jetzt, wie ihr mich seht, herumwandern. Wenn ihr so wie seither weiterlebt, geht's euch auch so." Gesagt - und fort war er.

Der Bürgermeister und der Schulze gingen nun etwas in sich, aber der große Fuchs soll sich von Zeit zu Zeit wieder gezeigt haben.

Weil nun dieser Fuchs ein Leben ohne Ende hat, pflegt der Jäger, wenn bei einer Treibjagd ein Fuchs die Schützenlinie hinaufläuft und von keinem Schützen getroffen wird, zu sagen: "Da ist nichts zu machen, das muss der Bürgermeister-Fuchs sein!"

Quelle: Spessart-Sagen, Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 27 - 28.