Die Gründung des Münchner Domes
Einst stand an Stelle des heutigen Domes ein Kirchlein zu Ehren Unserer Lieben Frau. Es war nach der Wieskapelle bei St.Peter das älteste Gotteshaus Münchens. Im Laufe der Zeit aber wurde es für die ständig wachsende Gemeinde zu klein. Man erweiterte es zwar im 13. Jahrhundert, doch noch immer herrschte bei den Meßfeiern drangvolle Enge darin.
Einmal, die Gläubigen standen wie so oft dicht gedrängt in der Kirche, schrie plötzlich jemand mit lauter Stimme:
"Feurio, feurio, feurio!"
In wilder Angst stürzten die Leute auf den Ausgang zu. Jeder dachte nur an sich und seine Rettung. Ohne Rücksicht stießen die Starken die Schwächeren beiseite und zwängten sich durch die Türe ins Freie. Dort stellte sich zwar heraus, daß es ein blinder Alarm gewesen war, denn von einem Brandherd war weit und breit nichts zu sehen, aber trotzdem war bei dem Durcheinander ein schreckliches Unglück geschehen: Das schönste Mädchen Münchens, eine fromme Bürgerstochter, war in dem Gedränge zu Tode gedrückt worden.
Da herrschte große Trauer in der Stadt, und der Ruf nach einer neuen Kirche wurde immer lauter. Herzog Si-gismund, der von dem verhängnisvollen Geschehen erfahren hatte, entschloß sich daraufhin, den Münchnern ein neues Gotteshaus zu stiften. Der Tod des schönen Mädchens ging ihm nämlich auch aus folgendem Grunde sehr zu Herzen:
In seiner Jugend hatte er eine Bürgerstochter geliebt und hatte sie - allen Widerständen zum Trotz - zu seiner Gemahlin machen wollen. Sie aber hatte diese Ehre abgelehnt und einen jungen Mann ihres Standes geheiratet, denn sie hatte das traurige Schicksal der Agnes Bernauer, die den Vater von Herzog Sigismund geehelicht hatte, noch zu deutlich vor Augen. Der junge Herzog war darüber niemals hinweggekommen und blieb sein ganzes Leben lang unvermählt.
So berichtet die Sage.
In Wirklichkeit wurde der Dom von der Münchner Bürgerschaft
und der Geistlichkeit erbaut, wenn auch kräftig unterstützt
vom herzoglichen Haus. Sigismund wäre - angesichts seiner bedrängten
Lage - niemals imstande gewesen, das prachtvolle Gotteshaus alleine zu
bezahlen.
Quelle: Gisela Schinzel-Penth, Sagen und Legenden
von München, Frieding 1979, S. 67 - 68.