Das Goldbrünnlein am Röthelstein

Die Augustinermönche von Schlehdorf kamen, obwohl sie von den Benediktinern in Beuern hart bedrängt wurden, dennoch zu großem Reichtum und weit und breit wußte man, daß die Monstranz der Schlehdorfer Klosterkirche aus purem Gold war. Das Gold holten die Klosterherren vom Röthelstein unterm Heimgarten herab, wo in Vollmondnächten um die Geisterstunde ein Goldbrünnlein floß. Den Bauern aber verrieten die Augustiner den Platz nicht.

Ein Unterauer und ein Bauer von Weil, die in Not lebten, weil ihnen das Klosterbier besser schmeckte als die Arbeit, wollten das Brünnlein suchen. Was die Mönche können, würden sie auch fertig bringen. Jeder nahm eine Pitsche mit und so stiegen sie bei Vollmond zum Röthelstein hinauf. Nach vielem Suchen und Beten sahen sie aus dem Felsen ein dünnes Bächlein rinnen, das glänzte wie reines Gold. Ihre Freude war umso größer, weil sie den Zauberspruch der Mönche nicht wußten und nur durch ihre Mühe und ihr Gebet zu dem Reichtum gekommen waren. Sie ließen zuerst die eine, dann die andere Pitsche mit Gold anlaufen, dankten Gott und stiegen wieder ab ins Tal. Voller Freude erzählte jeder seinem Weib von dem Glück. Als aber die Weiber mit den Spanlichtern in die goldgefüllten Fäßlein leuchteten, fanden sie nur reines Wasser.

Weil die Bauern die geweihten Sprüche nicht wußten, war das Gold wieder zu Wasser geworden. Aber auch das Goldbrünnlein blieb von da an ganz aus, weil Unberufene daraus geschöpft hatten. Und so wurden die Schlehdorfer Klosterherren seitdem immer ärmer, so arm, daß sie die Kirchtürme nicht mehr fertig bauen konnten.

Quelle: Sagen aus dem Isarwinkel, Willibald Schmidt, Bad Tölz, 1936, 1979;