Die Sennerin und der Natternkönig

In den Lenggrieser Bergen war vor Zeiten eine Sennerin, zu der kam alle Tage eine Natter auf die Alm; sie stellte ihr jedesmal einen Weitling Milch hin und fürchtete sich gar nicht. Die Leute sagten, daß sie schon als Kind mit der Natter aus einer Schüssel gegessen und die Brocken mit ihr geteilt hat. Wie dann im Herbst das Vieh von der Alm abgetrieben wurde, da kroch die Natter auch herunter und kam mit der Sennerin auf den Hof. - Als die Dirn Hochzeit hatte, sagte sie: "Ich bin neugierig, ob die Natter zu meinem Ehrentag kommt. Es braucht sich niemand zu fürchten; sie tut keinem Menschen etwas." Und wirklich, wie die Leute beim Mahle sitzen, kommt die Natter zur Tür herein, kriecht zuerst auf den Sessel, dann auf den Tisch. Diesmal hatte sie aber ein goldenes Krönlein auf dem Kopf. Das schüttelte sie der Braut in ihren Teller. Zeitlebens hat die Bäuerin Glück und Segen in Hof und Stall gehabt.

Quelle: Sagen aus dem Isarwinkel, Willibald Schmidt, Bad Tölz, 1936, 1979;