Der Maurerstoffl

Der Maurerstoffel auf dem Mühlfeld hatte ein kreuzbraves Weib, aber das Tölzer Bier war ihm das liebste auf der Welt. Und hat doch elend im Wasser ertrinken müssen. Im Rausch ist er von der Brücke beim Herrn unterm Turm in den Ellbach gefallen. Am andern Tag hat man ihn tot herausgezogen. War das ein Jammer bei seiner Gretl! "O mein Gott! O mein Gott!" klagte sie und wischte sich die nassen Augen mit dem Fürtuch, wenn ich's nur derbeten könnt', daß der Stoffl in die ewige Seligkeit kommt!" Den Kalvarienberg lief sie auf und ab und betete bei Unserm Herrn im Kerker. Und immer wieder wünschte sie sich: "Wenn ich grad wüßt', wie's dem Stoffl in der andern Welt geht!" In der Karfreitagnacht rutschte sie gar den Kreuzweg vom Ölberg bis zu den drei Kreuzen auf den Knien hinauf und betete bei jeder Station extra. Stundenweit ist sie zu sieben Feldkreuzen gelaufen, vom Bruckfeld und der Wackersberger Leiten bis zu dem Kreuz ober der Weinbergleiten auf dem Weg nach Gaißach, zum Standkreuz hinterm Lettenholz am Burgfrieden und über Ellbach hinaus, um soviel Ablaß für den Stoffl zu gewinnen, wie wenn man zu Rom sieben Kirchen besucht.

Am Ende hat sie es doch derbetet und der Ihrige ist ihr in der Nacht erschienen. "Bist du es, Stoffl", hat sie ihn gefragt. Er aber hat nichts gesagt als: "Dort geht's gerecht zu." Dann ist er wieder verschwunden. Die Gretl hat weiter gebetet und Messen lesen lassen. Am Märzenkeller ober dem Khanturm hat sie ihm eine Armenseelentafel anbringen lassen. Die ist schon lang verkommen. Der Stoffl ist auch gewiß nimmer im Fegfeuer, dafür aber schon lang bei seiner Gretl im Himmel.

Quelle: Sagen aus dem Isarwinkel, Willibald Schmidt, Bad Tölz, 1936, 1979;