Das Gold auf dem Heimgarten

Die Uralten erzählten es den Alten. Die Mär von dem reichen Goldsegen im Heimgarten wurde immer wieder laut im Umkreis des Kochelsees und im Werdenfelser Land. Woher sonst hätten die Pröpste des armen Klosters Schlehdorf das Geld zu ihren großen Bauten genommen und wie sonst hätten sie für den Tabernakel im Hochaltar eine Monstranz aus lauter Gold bekommen?

Dem Kloster gehörte früher die Kaseralm, die auf halbem Weg zum Gipfel des Heimgarten steht. Hundert Schritte davon ist ein tiefes Loch, in das sich aus einer bleiernen Röhre eine kostbare Quelle ergoß. Das Wasser ließen die Klosterherrn durch einen Seiher laufen und fingen darin den Goldsand auf, der oft so groß wie Gerstenkörner herauskam. Der Probst Leonhard aber erkannte, daß das Gold dem Kloster und den Menschen keinen rechten Segen brachte und als er im Sterben lag, verfluchte er die Quelle. Seine Mitbrüder mußten ihm versprechen, den Brunnen zuzuschütten.

Als man später versuchte, ihn wieder auszugraben, fand man nichts mehr als etliche alte Werkzeuge und ein verrostetes Blech mit lauter Löchern.

Und wieder später wollte ein Hüterweib an einer Quelle bei der Kaseralm Wasser holen. Da klingelten ihr schwarze Pfennige und kleine Goldstücke in den irdenen Krug. Sie lief damit gleich zu ihrem Mann. Der brachte den Fund ins Kloster; die geistlichen Herren jedoch schenkten ihm kein rechtes Gehör und wollten nicht viel von der Sache wissen. Andere aber sagten: Das Geld stammt von dem vergrabenen Schatz des Ritters von Weichs. Viele stiegen zum Heimgarten hinauf und trieben Stollen und Gänge in den Berg. Gefunden haben sie nichts.

Damals lebte in Ohlstadt der Hägle Joseph, ein Steinbrecher und Wetzsteinmacher. Der hatte in einem Prozeß mit dem Kloster sein ganzes Hab und Gut verspielt. Jetzt wurde er der eifrigste Goldsucher. Als er dabei noch seinen letzten Pfennig zugesetzt hatte, zog er mit seinem Weib nach München, wo er als Maurer Arbeit fand und wieder genug zum Leben hatte. Aber das Heimgartengold konnte er nicht vergessen.

Einmal kam er mit einem sonderbaren alten Männlein zu reden, von dem in der ganzen Stadt niemand wußte, wie es hieß, noch wo es Heimat und Bleibe hatte. Dem erzählte er von dem Schatz. Das seltsame Männlein aber hatte einen Erdspiegel, mit dem es alle verborgenen Dinge auf der Welt und auch das Innere der Berge schauen konnte. Am Tag danach, als es seinen Spiegel befragt hatte, brachte es dem Hägle Gewißheit: "Zuerst kommt man an eine große, gutgemauerte Alm. Einen Büchsenschuß weiter liegt ein alter, umgefallener Baum. Hinter dieser Rahne mußt Du graben."

Der Hägle konnte sich nicht genug wundern, weil die Beschreibung so genau auf den Platz paßte und er hatte nun keinen Zweifel mehr, daß der Schatz wirklich noch da sei und daß sie ihn bestimmt finden würden, besonders weil das Männlein ihm Geld und Beistand versprach.

Die Tür der Kaseralm war noch vom Schnee zugeweht, wie sie nach der langen Reise auf den Berg kamen. Weil es schon Nacht und sie vom Steigen und Schneewaten müde waren, legten sie sich gleich schlafen. Es mochte auf zwölf Uhr gehen, als das Männlein den Hägle mitten aus dem Schlaf weckte und sagte: "Mir ist auf einmal so ängstig. Bet mit mir!" Alle zwei knieten sie sich in ihrem Kreister auf und fingen an, laut ein Vater unser zu beten. Da ging auch schon wie von selber die Tür auf und ein großer, magerer Mann stand auf der Schwelle. Der Hägle schaute ihn für den Jäger von Weil an und sagte ihm freundlich Grüß Gott. Der aber schrie ihn zornig an: "Was bringst du mir da für Leute ins Revier?" Weil der Hägle glaubte, daß er sie für Wilderer halte, suchte er es ihm auszureden. Der andere aber packte einen Pickel und eine Schaufel von der Wand und warf sie auf die Erde, daß die Funken gerade so herumfeuritzten.

Dann war er auf einmal verschwunden, ohne mehr ein Wort zu sagen. Jetzt wußten die zwei auf einmal, wer bei ihnen in der Stube gewesen. Sie bekreuzten sich und fanden keinen Schlaf mehr.

Am Morgen zeigte das Erdspiegelmännlein dem Hägle genau den Platz, wo das Gold im Berg liegen müsse, dann kehrten sie wieder nach München zurück.

Als auch im Gebirg aller Schnee weggeschmolzen und die Gefrier aus dem Boden gewichen war, begann der Hägle seine Arbeit. Der Velhäusl von Heilbrunn, ein alter Schatzgräber und der Zimmermeister von Wackersberg taten sich mit ihm zusammen. Bald kamen noch andere und am Heimgarten war ein Graben und Werken im Gang, wie wenn richtige Bergleute am Schürfen wären. Aber alles Mühen und Geldausgeben war umsonst.

Da erinnerte sich der Wackersberger an die Venediger Männlein, die früher oft in die Vorberge um Tölz gekommen waren und ganze Säcke voll Gold weggetragen hatten. Er machte sich auf die Reise nach Italien und fand wirklich in Venedig einen Mann, der ihn in seinen Erdspiegel schauen ließ. Darin zeigte sich ein großer schwarzer Haufen. "Das ist der Schatz, den Ihr sucht", sagte der Venediger, "aber er ist so schwer zu heben, daß Ihr und Euere Gesellen es kaum erwarten könnt. Wascht lieber den Goldsand aus den Bergflüssen und Ihr seid reich für Euer Leben!" Mehr sagte er nicht.

Nun gaben sie das Graben auf und fingen an, den Sand der Quellen und Bäche zu schlemmen, aber sie konnten nur ein paar Körndl herauswaschen. Als sie schon allen Mut verloren hatten, hörten sie von einer Prophezeiung, die ein Abt in Köln auf dem Sterbebett getan hatte: Auf einem hohen Berg in Bayern wird bald ein großer Schatz gehoben werden. - Sie meinten, das könnte kein anderer als der Heimgartenschatz sein, und eröffneten ihr Bergwerk aufs neue. Nach drei Jahren waren sie so weit wie am ersten Tag.

Da trauten sie noch einmal einem Erdspiegel. Der Aschhaber Joseph von Ohlstadt machte in Haidhausen die Bekanntschaft eines Mannes, der auch so einen Zauberspiegel hatte und dem Aschhaber daraus alles haargenau ablas, was die Schatzsucher am Heimgarten gerade taten und was sie für ein Gewand anhatten. Sie ließen sich gern noch einmal verführen und bald glaubten sie auf das Gold gekommen zu sein. Ganz außer sich brachten sie eine Probe zum Apotheker von Benediktbeuern. Aber es war nur Katzengold.

Schließlich starben alle in Not und Elend, der Hägle, der Velhäusl und der Zimmermeister von Wackersberg. Dem Franz Ecker war sein Weib hintersinnig geworden und sein schöner Hof in Schlehdorf war auf der Gant. Wenn nicht der König Max die Schulden bezahlt hätte, wäre seinem Buben nichts übrig geblieben als den Bettelstecken zu nehmen und aus der Heimat fortzuziehen.

So war der Fluch des Teufels in Erfüllung gegangen und der Schatz liegt immer noch oben auf dem Heimgarten.

Quelle: Sagen aus dem Isarwinkel, Willibald Schmidt, Bad Tölz, 1936, 1979;