Das Gespensterheer von Lenggries

Was ich da erzählen will, das ist gewesen etliche fünfundreißig Jahre nach der Sendlinger Schlacht, wie der Kurfürst Karl Albert mit der Kaiserin Maria Theresia von Österreich um die deutsche Kron gestritten hat. Und wie er sich in Frankfurt am Main die Krone hat aufsetzen lassen, da haben derweil in München und im Oberland die Rotmäntel, die Panduren und Tolpatschen, die Bürger und Bauern geschunden und gebrandschatzt. Grad wie anno 1705 ist es gewesen und noch ärger. Die Tölzer haben sich ihren Markt um etliche hundert Gulden vom Anzünden losgekauft, aber das Rauben und Stehlen des fremdländischen Diebsgesindels nicht abwenden können. Auf der Straß im Dietherloch, wo's durch den Zeller Wald auf München zu geht, hat der Gering Hans vom Mühlberg die Bauern angeführt und sie haben den Räubersgesellen ihren Fang wieder abgejagt. Dabei hat der Bacher an der Straß dem Trenk seinen Adjutanten, den Gundl, in der Kutschen erschossen. Ein paar Wochen danach ist der Trenk mit seinen Rotmänteln auf Gaißach-Rain geritten kommen und hat den Bacherbauern verlangt. Aber die Nachbarn haben sein Versteck droben am Rechelkopfgraben nicht aussagen wollen. Zehn Minuten hat der Trenk gewartet, dann haben sie das Brennen angefangen bei den Gergenhäusern. Pechkränze haben sie an die Lauben und Stadel gehängt und angezündet. Fünf Stunden hat das gedauert. Auf die Nacht sind sie beim Greilbauern gewesen, die Mordbrenner. Auf dem Grund vom Gergbauern ist eine neu aufgesetzte Holzsäulen mit einem geschnitzten Herrgott gestanden. Daran haben die Schandbuben auch ihre Pechkränze gehängt und Feuer angelegt. Das Kreuz samt dem Herrgott ist völlig verbrunnen, aber der schmerzhaften Muttergottes darunter und dem vielen Opferwachs hat durch ein Wunder das Feuer nichts anhaben können. Die Leute sind nachher zum abbrennten Kreuz gewallfahrtet und haben eine Kapelle darüber gebaut.


Der Trenk aber und seine Panduren sind durch das Brennen noch hitziger geworden und auf Lenggries geritten. Wie sie aber gegen den Freithof gezogen sind, da ist noch ein größeres Wunder geschehen: Die Gräber haben sich auftan und zwischen den eisernen Grabkreuzen ist es lebendig worden. Ein eiskalter Wind ist um die Kirche gewesen. Die alten Lenggrieser sind aufgestanden, keiner hat einen Schnaufer getan. So sind sie auf die Rotmäntel zu, und immer mehr sind ihrer geworden. Da haben die Pandurengäul von selber kehrt gemacht und sind mit ihren Herrn davon über den Trattenbach. Und hat sie auch keiner halten wollen.

Quelle: Sagen aus dem Isarwinkel, Willibald Schmidt, Bad Tölz, 1936, 1979;