Vom Wetterich und von den Wetterhexen
Heute wie damals brechen schwere Gewitter mit verheerenden Hagelschlägen ins Inntal herein. Bis in die Siebzigerjahre waren zwischen Brünnstein und Samerberg Hagelschützen an exponierten Plätzen mit ihren Silberjodidraketen bereit, am Himmel aufziehenden Gefahren rechtzeitig entgegenzuwirken, und zwar mit wechselndem Erfolg. Sie wurden von vielen als wirkungsvoll gepriesen, von anderen verlacht, von manchen Nachbarn verdächtigt, das Unwetter vom eigenen Gebiet auf Nachbargebiete abgelenkt zu haben. Dann ging das Geld fürs Hagelschießen aus. Forscher und Landtagsabgeordnete brachten es schließlich vor ein paar Jahren fertig, die Hagelabwehr auf neuer Grundlage wieder einzuführen, nämlich durch Absprühen der Anti-Hagel-Substanz aus einem Flugzeug, das auf einem kleinen Flugplatz bei Vogtareuth stationiert ist.
Schon in früheren Zeiten versuchte man, die erntevernichtenden Hagelschläge
abzuwenden, zu verjagen oder aufzulösen. Die Tiroler zum Beispiel
schössen mit schweren Geschützen in die dreuenden Wolken, um
sie auseinanderzureißen. Der Kurfürst Bayerns hörte davon
und ließ sogar durch seine Akademie der Wissenschaften das Wetterschießen
wissenschaftlich untersuchen. Er empfahl es schließlich seinen Untertanen
und gab ihnen dazu genaue Anweisungen. Darauf wurden auf der Biber, dem
vierzig Meter hohen Nagelfluhrücken bei Brannenburg, schwere Mörser
in Stellung gebracht, die man mit Pulver und gehacktem Blei füllte.
Von der Zündschnur zur Explosion gebracht, jagte die Ladung unter
gewaltigem Donner in die unheilverkündenden Wolken. Tatsächlich
gelang das Unternehmen einige Male, wenn auch längst nicht immer,
und die Wolken drehten sich, rissen auseinander und ließen statt
der gefürchteten Eisschloßen Regen zur Erde fallen, oder aber
sie zogen ohne Niederschlag abzugeben ab. Der Schußmeister aber
wußte die staunenswerte Wirkung seines Tuns genau zu erklären:
"Wie du auf der Entenjagd den Enterich treffen willst, so muß
ich beim Wetterschießen den Wetterich treffen. Das ist eine der
vielen Wetterhexen, die ganz alleine daran schuld sind, wenn sich gefährliche
Wolken auftürmen, die uns so viel Schaden durch Hagelschlag zufügen.
Ist die Wetterhexe vom Mörserschuß getroffen, dann kann uns
das Wetter auch nichts mehr antun".
Quelle: Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 110