Die drei Schatzgräber aus Mühlbach

Drei Junggesellen aus Mühlbach bei Oberaudorf waren im Besitze einiger uralter Pergamente, auf denen für die verschiedensten Zwecke Zauberformeln aufgeschrieben waren. Mit Hilfe dieses geheimen Wissens hatten sie schon gar manche arme Seele erlöst, die an einen vergrabenen Schatz gebannt war.

Irgendwie kam den Dreien zur Kenntnis, daß unter den drei Eichen, die auf dem Kölner Bichl hart am Weg von Mühlbach in die Schöffau standen, ein großer Schatz vergraben sei. Und weil sie schon so oft selbstlos den herumgeisternden Seelen geholfen hatten, wollten sie diesmal sich selbst etwas Gutes tun und diesen Schatz heben.

Um sich vor vielleicht auftauchenden Geistern zu schützen, nahmen sie aus dem Beinhaus des alten Kieferer Friedhofs drei Totenschädel und ein paar Menschenknochen mit, bevor sie sich in einer dunklen Sommernacht auf den Weg zum Kölner Bichl machten.

Natürlich hatten sie Pickel und Schaufel dabei und auch einen großen rupfenen Sack sowie ein Seil. In der Stunde vor Mitternacht begannen sie mit ihrer Arbeit, getreu den Anweisungen aus ihren Zauberpapieren. Zunächst zogen sie mit den Gebeinen einen Kreis um den ganzen Platz der Grabungen und dann noch um jeden einzelnen von ihnen, damit sie eingeschlossen waren in den Bannkreis, den nun kein Gespenst überspringen konnte. Sodann setzten sich die drei Unerschrockenen unter einen der Eichbäume und warteten, bis der Mond aus den Wolken hervorkam. Sie hatten Glück, denn bald fiel so viel blasses Mondlicht auf die unheimliche Stätte, daß einer von ihnen die Zauberformeln vorlesen konnte, die zu ihrem Vorhaben von Nutzen sein sollten. Ohne Mondlicht aber wäre alles umsonst gewesen. Dann erst konnte das Pickeln und Schaufeln im harten, steinigen Boden beginnen. Doch das ging gar nicht so harmlos vonstatten, denn je tiefer sie gruben und je näher sie dem Schatz kamen, um so mehr traten ihnen die den Schatz bewachenden Geister entgegen: Bald stiegen Seufzer aus dem Boden, bald wankte die Erde unter ihren Füßen, bald kam Geheul aus dem Gebüsch nebenan. Plötzliche Windstöße rissen ihnen die Hüte vom Kopf und zerzausten ihre Haare. Dann kroch auch noch widerliches kleines Getier mit glühenden Augen von allen Seiten heran und machte sich an den Zauberzirkeln zu schaffen. Und dann wurde es noch schlimmer: Wilde schwarze Reiter stoben auf sie zu und erst im letzten Moment rissen sie ihre wiehernden Hengste zu gewaltigen Sprüngen hoch, und sie setzten knapp über den eingezogenen Köpfen der drei Gesellen hinweg. Dann zersplitterte plötzlich mit fürchterlichem Krachen einer der drei Eichbäume und Feuer schlug aus seinem dicken Stamm, daß es einem der Burschen den Haarschopf versengte.

Die drei jungen Männer aber wähnten sich in ihrem eigenen Bannkreis sicher. Sie ließen sich von all dem Gruseligen nicht irre machen, so sehr das auch an ihren Nerven zerrte. Keinen Laut, keinen Angstschrei gaben sie von sich, um den Erfolg ihres Tuns nicht zu gefährden. Und nun schien sich ihre Standhaftigkeit auch zu lohnen, denn plötzlich klang es metallen unter einem Pickelhieb. Wie eine Glocke hat es geklungen, als einer tatsächlich an eine eiserne Truhe stieß. Vorsichtig und stillschweigend gruben sie jetzt mit der Schaufel und mit den Händen weiter, bis sie unter der im Mondlicht glänzenden Eisenkiste den mitgebrachten Strick durchziehen konnten. Damit wollten sie die Schatztruhe aus der Grube herausziehen. Es war auch noch gerade die rechte Zeit dazu, nicht mehr lange vor Mitternacht, aber doch noch lange genug, um das Werk vor dem Beginn der Geisterstunde zu Ende zu bringen, bevor es zwölf schlug.

Die drei Männer hatten nun schwitzend und schnaufend das Seil um die Truhe gelegt und verknotet und wollten sich nach kurzem Verschnaufen gerade noch daran machen, mit vereinten Kräften den Schatz solchermaßen in ihren Besitz zu bringen, als im gleichen Augenblick, in dem der eine von ihnen "ho - ruck!" kommandieren wollte, der Vikar von Oberaudorf hinter zwei Fackelträgern mit dem Allerheiligsten des Weges kam und sich direkt auf sie zu bewegte. Hinter dem Geistlichen schritten laut betend einige Leute, wie es der Brauch war, wenn einem Sterbenden die letzte heilige Wegzehrung gebracht wurde.

Da strengten sich die drei Schatzgräber in der Grube noch einmal gewaltig an, nachdem sie ihre Verwunderung überwunden hatten, um den Schatx heraufzuzerren, bevor noch der Priester mit dem Allerheiligsten direkt in ihren Bannkreis kam. Aber da leuchtete der Schein der Fackeln auch schon zu den drei Männern in die Grube hinein und sie warfen sich zu Boden, daß man sie nicht sehen sollte. Dabei ließen sie versehentlich den Strick aus ihren Händen gleiten und die Truhe plumpste zurück ins Loch. Reglos lagen sie so eine Weile, bis endlich der fromme Zug vorbei war.

Sofort rafften sich die Schatzgräber wieder auf und wollten erneut ans Werk gehen und dieses doch noch erfolgreich beenden. Aber als sie sich erhoben hatten und in die von ihnen ausgehobene Grube schauten, war diese leer. Nur einige Brocken Kohle, die am Verglimmen waren, lagen umher, von der Schatztruhe war aber keine Spur mehr zu entdecken. Die Burschen konnten es nicht fassen! Sie starrten wie angewurzelt in das Loch. Da zerriß dreimal hintereinander ein teuflisches Gelächter die nächtliche Stille. Vom Bergwald am Hang des Nußlberges kam es und ging durch Mark und Bein. Auf diese Weise wurden die drei zurückgerufen in die Wirklichkeit.

Quelle: Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 29