Der redende Leuchtkopf
Das Almjahr war gut gewesen und Bauer, Sennerin und Senner freuten sich auf den Almabtrieb und die Rückkehr ins heimatliche Tal. Zum Almabschied wurde droben auf der Hütte eine große Mahlzeit zubereitet und dann schmausten alle und langten kräftig zu. Als alle satt waren, plagte ein paar Almer der Übermut. In der Hütte hing an der Wand ein hölzerner, geschnitzter Kopf mit aufgesperrtem Maul, in das die Kienspäne gesteckt wurden, die abends den Raum mit ihrem flackernden Feuer notdürftig erhellten. Von den Überresten des Mahles boten die Ausgelassenen diesem Kopf zu essen an. Zur grenzenlosen Verwunderung der Leute in der Almhütte verzehrte der Leuchtkopf den fetten Schmarren. Unter lautem Hallo fütterten sie ihn, bis nichts mehr in der Kupferpfanne war.
Der hölzerne Leuchtkopf aber verlangte dann noch mehr zu essen. Er riß nämlich das Maul weit auf und daraus erscholl eine laute Stimme, die drohte alle Anwesenden zu verschlingen, wenn sie ihn nicht weiter füttern wollten. Jetzt verging auch den Übermütigsten das Lachen und alle rannten voller Angst hinaus ins Freie. Sie liefen zur Nachbarhütte und blieben dort über die Nacht.
Am anderen Tag wagten sich einige Mutige mit noch ein paar herbeigeholten
Burschen wieder in die Hütte. Aber da war aller Spuk verschwunden
und der Leuchtkopf hing wie eh und je an seinem Platz. Er hatte nur gegessen
und geredet, um den Übermut der Almleute zu bestrafen.
Quelle: Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 61