Der wilde Alperer

Den ganzen Sommer über haust der wilde Alperer unten in den nassen Innauen in Gestalt einer großen Schlange. Solange nämlich die Almen bezogen sind und Leben herrscht in den Berghütten und auf den Weiden, geht er nicht hinauf in die Berge. In den Auen kriecht er da herum und ernährt sich von den Kälbern, die ihm auf ihrer Weide zu nahe kommen.

Um Martini aber, wenn abgetrieben ist von den Almen, nimmt er Besitz von den Berghütten. Nun hat er jedoch das Aussehen eines älplerischen Jägers angenommen und treibt soviel Unfug und Spuk, daß sogar die kleinen Almputten sich vor ihm verstecken. Die Almputten, das sind die kleinen Almzwerge, die die verlassenen Almen mit ihren winzigen Kühen bewirtschaften.

Auf der Schweinsteigeralm übernachtete einmal ein Jäger. Am Martinsabend war es. In der Nacht weckte ihn ein Mordslärm, der aus dem leeren Stall kam, dann aber auch vom Milchkeller heraufdrang und schließlich im ganzen Häusl rumorte. Da wurde sogar dem schneidigen Jägersmann angst und bang. Schleunigst zog er sich an, packte sein Gewehr und nahm Reißaus aus der unwirtlichen Unterkunft. Bevor er hinter der Hütte den Waldrand erreichte, schaute er sich nochmal um, und er sah, wie gerade ein funkensprühendes Etwas über die Baumwipfel auf der anderen Seite der Wiese hinfuhr, während eine Gestalt im grünen Jägerwams unter dieser Lichterscheinung im Wald verschwand.

Quelle: Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 54