Umgeschmiedete Waffen

Bischof Otto von Bamberg, der große Missionar der Pommern, lebte in einer der unfriedlichsten und von den wüstesten Kämpfen zerrissenen Zeit. Es war in den Tagen Kaiser Heinrichs IV. und Gregors VII. und seiner Nachfolger. Zu ihm kam einmal ein Waffenschmied, ein tüchtiger und ehrgeiziger Mann. Er brachte eine ansehnliche Wagenlast von Pfeilen, Wurfspeeren und anderen Fernwaffen, sorgsam in Körbe verpackt, auf die bischöfliche Pfalz und bot sie Otto als Geschenk an. Die Welt sei so voller Kriegsgeschrei, dass man gegenwärtig auf nichts Besseres sinnen könne als auf die vorzüglichsten Waffen, denn auch die Burgen und Städte des Bischofs würden bald manchen Sturm zu bestehen haben.

Otto dankte dem Meister und reichte ihm ein würdiges Gegengeschenk. Dann trat er an den vor ihm stehenden Korb, holte einen der gerühmten Pfeile auf und wiegte und prüfte ihn mit Auge und tastendem Finger. Es war ein Dreikanter, jede Kante auf besondere Weise geschärft, die Spitze von ungewöhnlicher Länge.

"Warum habt Ihr sie denn gar so lang gemacht und so spitz und die Kanten so scharf?", fragte der Bischof.

Der Waffenschmied erklärte: "Gerade so lang und so zugespitzt und so scharf müssen sie sein, damit sie Schild und Panzer durchschlagen. Es gibt heute keinen Schild und Panzer, die diesem Pfeile widerstehen könnten."

Der Bischof legte den Pfeil zu den anderen zurück und rief aus: "Fürchterliches Mordgerät! Ich will dafür sorgen, dass es keines Menschen Leben bedrohen kann!"

Darauf ließ er Leute holen, auf dass sie die Pfeile in allen den Körben auf den Michelsberg schafften, an die Baustelle des Klosters, wo Abt Hermann eben daran war, das Dach des neuen Münsters aufzurichten. "Bringt sie dem Abt", rief Bischof Otto, "ich lasse ihn grüßen und herzlichst bitten, diese Pfeile mir zuliebe zum Dienste Gottes zu verwenden. - Nein, sie sollen nie Waffen des Todes werden."

Dem Abt kamen die Pfeile gerade recht, ja, sie halfen ihm aus einer großen Verlegenheit. Ihm fehlten dauerhafte Nägel, um die Dachziegel auf den Sparren zu befestigen. Es dauerte nicht lange, so hatten die Werkleute alle die Pfeile mit ihren Kanten und Widerhaken ihrem neuen Zwecke angepasst, und so traten die Mordwaffen in den Dienst Gottes.

Quelle: Andreas Haupt, Die schönsten Bamberger Sagen und Legenden, Bamberg 1877, neu herausgegeben von Gerhard Krischker 2002, S. 57 - 58.