Der Teufelsweber

Zu einem frommen Webermeister in Bamberg kam eines Morgens, als das Tor kaum aufgetan worden war, ein verkommen aussehender Geselle und sprach den Meister um Arbeit und Unterstand an. Obwohl der Meister einen guten Gehilfen brauchen konnte, trug er doch Bedenken, den Burschen, der anscheinend mehr mit dem Büttel als mit dem ehrsamen Handwerk zu tun gehabt hatte, so ohne weiteres von der Landstraße weg einzustellen. Besonders die große schwarze Katze, die dem Gesellen drohend auf der Schulter stand, kam dem Meister nicht ganz geheuer vor. Aber ohne sie erklärte der Geselle nimmermehr zu bleiben und so hieß ihn denn der Meister setzen und reichte ihm zu essen und einen Willkommenstrunk.

Nachdem sich der Geselle gelabt und dabei der Katze manchen fetten Bissen gereicht hatte, griff er nach seiner Lederkappe und wollte aus der Stube gehen. Aber der Meister hielt ihn zurück und zeigte ihm seinen Webstuhl am Gartenfenster. Der laufe ihm nicht davon, meinte der Geselle, höhnisch auflachend, und bedeutete dem Meister, dass er nur nachts zu arbeiten gewohnt sei, untertags schlafe er oder gehe er seiner Kurzweile nach, schaffen aber könne er für drei. Damit schob er sich zur Türe hinaus und blieb wirklich unsichtbar bis zum Abendessen. Darnach schmeichelte er mit seiner Katze und hielt Zwiesprache mit ihr wie mit einem vernünftigen Menschen - und so oft er die Hand über den schwarzen Pelz gleiten ließ, zog er einen Funkenbüschel heraus, dass dem Meister die Haare zu Berge stiegen.

Als der Meister sein Lager aufsuchte, zog der Geselle die Jacke aus und machte sich an dem Webstuhl zu schaffen. Anfänglich konnte der Meister kein Auge zutun, so sehr gingen ihm die Dinge im Kopfe herum. Als er aber den Webstuhl ohne Ruhe und Rast in sein Kämmerlein herüber klappern hörte, dachte er, jeder Mensch habe seine eigene Art, und wenn der Geselle nur schaffe, so sei es wohl gleich, wann er es tue, worauf der Meister sich auf die Seite legte und alsbald einschlief. Am Morgen zeigte sich wirklich, dass der Geselle nicht zu viel versprochen hatte: Das ganze Stück, woran der Meister wohl drei Tage gewoben hätte, lag fertig auf dem Tisch und hatte keinen krummen Faden und ein neuer Zettel war schon wieder eingezogen. Der Meister stutzte wohl und meinte, das könne nicht mit rechten Dingen zugehen. Aber der Geselle sagte rau, wenn er zu viel arbeite, könne er es ja langsamer laufen lassen und Webermeister gäbe es überdem noch anderwärts genug. Der Meister aber, froh über einen so unschätzbaren Gehilfen, stopfte ihm das Maul mit guten Bissen und noch besseren Reden und ließ ihn gewähren.

Von Zeit zu Zeit freilich schlug dem Meister doch das Gewissen, besonders wenn er sah, wie der Geselle auf der Stelle verschwand, sobald der Meister das Gebetbuch vom Brette langte, oder wie er bei jedem "In Gottes Namen" zusammenfuhr, als griffe ihn der Böse beim Nacken.

So ging es den ganzen Sommer lang. Der Meister kam in seinen Umständen sichtbar vorwärts. Aber er hatte schon geraume Zeit die Weberei ganz seinem Gesellen überlassen und sich einem beschaulichen Dasein hingegeben, war auch nicht selten den Tag über mit in den Schänken herumgezogen und in der Dämmerung am Arm des Gesellen übel beladen heimgeschwankt, so dass die Nachbarn bedenklich die Köpfe schüttelten.

Da geschah es in einer Nacht, dass der Meister plötzlich schweißtriefend aus einem schweren Traum erwachte. Ihm war, als habe das schwarze Untier, Rauch und Funken speiend, einen funkelnagelneuen Zettel vollständig zerrissen. Auf der Stelle wollte der Meister in die Stube hinübereilen. Als er aber den Webstuhl wie in jeder Nacht gehen hörte, legte er sich wiederum um.

Nicht lange und der Traum riss ihn aufs Neue empor. Diesmal hielt er es nicht länger aus. Vorsichtig schlüpfte er in die Kleider und weil er wusste, dass der Geselle jedes Mal die Türe abriegelte, stieg er durch das Fenster seiner Kammer in den Garten und schlich um das Haus. Die Läden waren fest geschlossen. Nur durch die herzförmigen Ausschnitte darin fiel ein matter Lichtschein in die dunkle Nacht. Leise holte sich der Meister eine Leiter und stieg hinauf, bis er in die Stube schauen konnte. Da sah er den Gesellen bei einem rinnenden Talglicht über den Tisch gelümmelt am Ofen sitzen und mit weinschweren Augen vor sich hinstieren. Der Webstuhl aber ging von selber. Die Tritte flogen auf und nieder. Die Lade schlug an, dass der Meister kaum so schnell zählen konnte, und das Schiff lein sauste, von der fauchend hin- und herrennenden Katze geworfen wie der Blitz durch die Fäden. Da begriff der Meister mit einem Male alles. Eiskalt lief es ihm über den Rücken und er stotterte: "Alle guten Geister loben Gott den Herrn!"

In diesem Augenblick stand der Stuhl, die Katze schrie entsetzlich auf, riss das Schifflein aus dem Zettel und warf es nach dem Fenster. Der Meister aber war bereits von der Leiter gesprungen und über den Gartenzaun entflohen. Bis an den grauenden Morgen irrte er umher. Als er aber endlich mit dem Nachtwächter sein Stübchen wieder zu betreten wagte, da fand er nicht ein Ding darin mehr ganz. Zettel und Leinwand waren zerfetzt und Fußboden und Wände voll dunkler Blutflecken. Von dem Gesellen aber und seiner Katze war jede Spur verschwunden.

Quelle: Andreas Haupt, Die schönsten Bamberger Sagen und Legenden, Bamberg 1877, neu herausgegeben von Gerhard Krischker 2002, S. 25 - 29.