Der Teufel als Dombaumeister

Bei dem Baumeister des Gotteshauses, das der fromme Kaiser Heinrich mit seiner Gemahlin in Bamberg gestiftet hatte, ließ sich eines Tages ein Jüngling melden und sagte, er käme geradewegs aus Welschland und Frankreich und habe dort bei den berühmtesten Meistern gearbeitet; nun wolle er in deutschen Landen gern beweisen, was er in der Fremde gelernt habe. Der Baumeister sah sich den Jüngling an, und da ihm seine kühnen blauen Augen und die edle Stirn gefielen, nahm er ihn auf, obgleich er ihm bei seiner Jugend noch nicht viel Erfahrung zutrauen wollte. Es zeigte sich denn auch bald, dass der Bau am Peters-Chor, den der Meister dem Jüngling übergeben hatte, nur langsam vorwärts kam, während der Georgen-Chor, über den der Meister selbst waltete, mit jedem Tag sichtbar in die Höhe wuchs. Giftiger Neid fraß deswegen zu allen Stunden an der Seele des Jünglings. Da ging er hin und machte in einer bösen Nacht einen Bund mit dem Teufel, dass der seine Seele haben solle, wenn er ihm nur helfen wollte, vor dem alten Meister den Schlussstein am Peters-Chor einzusetzen.

Alsbald ging den Bauleuten am Peters-Chor die Arbeit noch einmal so leicht von der Hand und Mauern und Gewölbe hoben sich empor, als ob Tag und Nacht daran gewerkt werde. Am Georgen-Chor aber schaffte der böse Feind Hemmnis und Zwietracht; auch merkten die Werkleute bald, dass zwei schreckliche Ungeheuer, halb wie Kröten, halb wie Löwen gestaltet, nächtlicherweile den Grund unterwühlten, so dass bald hier bald dort die Mauern sich senkten und Risse bekamen.

Der Peters-Chor stand fertig; der Kaiser und die gesamte Geistlichkeit hatten den Jüngling mit Lob und Ehren überhäuft. Da kam anderntags ein vornehmer Herr in reicher Tracht zu dem jungen Baumeister und begehrte sein Werk von innen und außen zu sehen. Stolzen Sinnes führte ihn der Jüngling von Gerüst zu Gerüst und zeigte ihm alles. Als sie die letzte Leiter hinanstiegen, hielt der Fremde den Baumeister am Arm fest und sagte mit höhnischem Grinsen, er habe sein Versprechen wahr gemacht, der Peters-Chor stehe fertig vor dem Georgen-Chor; nun sei er um seinen Lohn gekommen. Zitternd stammelte der Jüngling, den bösen Feind erkennend, dass seine Seele doch erst nach seinem Tode verfallen sei. Da brach der andre in grausiges Lachen aus und stieß den Jüngling hinaus in die freie Luft. Die Bauleute, die erschreckt zusammenliefen, sahen eine große feurige Kugel vom obersten Gerüst davonfliegen; der Fremde aber war verschwunden.

Da merkten sie, wer eigentlich der Baumeister gewesen war, und der Bischof kam mit der Geistlichkeit, trieb alle bösen Geister aus und weihte den Bau. Die beiden Ungeheuer aber wurden später aus Stein gehauen und auf beide Seiten der Domtür gesetzt.

Quelle: Andreas Haupt, Die schönsten Bamberger Sagen und Legenden, Bamberg 1877, neu herausgegeben von Gerhard Krischker 2002, S. 49 - 52.