Post sex
König Heinrich II. lag in tiefem Schlaf und träumte, zu Regensburg in der St.-Emmerams-Kirche am Grabmal des hl. Bischofs Wolfgang, seines Erziehers, zu beten. Plötzlich schien der Heilige selbst vor ihm zu stehen und auf die Mauer neben seinem Grabmal zu deuten.
Dort aber war nur geschrieben: "Post sex" (Nach sechs...).
Als König Heinrich erwachte, überdachte er von früh bis
spät die wenigen geheimnisvollen Worte seines nächtlichen Traumes.
Zuerst glaubte er, nach sechs Tagen sterben zu müssen. Er legte ein
Bußgewand an, ordnete seine Seele im Bußgericht, teilte viel
unter die Armen aus und erwartete betend die letzten Dinge. Die sechs
Tage gingen vorüber. Es geschah nichts. Da glaubte der König
an sechs Monate. Er verdoppelte seinen Eifer in Buße, Gebet und
guten Werken. Als auch die sechs Monate verstrichen waren, ohne dass er
Krankheit und Tod erlitten hatte, vermeinte er, die Zahl beziehe sich
auf sechs Jahre. Er freute sich, dass ihm Gott noch eine so lange Zeit
zur Vorbereitung auf den Hingang gewähren wolle. Als aber auch die
sechs Jahre für ihn unversehrt verstrichen waren und der erste Tag
des siebten Jahres gekommen war, empfing Heinrich die kaiserliche Würde
durch päpstliche Weihe. Nun erst merkte Heinrich die gütige
Absicht Gottes: Es sollte nicht eine Vorbereitung für den Tod, sondern
auf das hohe Amt des Kaisers sein.
Quelle: Andreas Haupt, Die schönsten Bamberger
Sagen und Legenden, Bamberg 1877, neu herausgegeben von Gerhard Krischker
2002, S. 58 - 60.