Kunigunde in Flammen

Als der fromme Kaiser Heinrich gestorben war, entsagte seine Gemahlin der Welt gänzlich und nahm den Schleier. Mit Beten und Fasten verbrachte sie ihre Tage, kasteite auch ihren Leib hart und ging hin und her unter den Armen und Kranken und diente ihnen.

Einmal begab es sich, dass sie ihr Strohlager später als sonst bestieg; denn sie hatte in der Finsternis lang im Gebet vor der Himmelskönigin gelegen. Dennoch dünkte es sie sündlich, ihren Leib alsogleich der kurzen Ruhe bis zur Matutina dahinzugehen.

Sie zog deshalb nach ihrer Gewohnheit unter dem rauen Laken ein Psalterbüchlein hervor, das ihr Gemahl als Weihgeschenk des Heiligen Vaters aus Rom mitgebracht hatte, nahm eine Kerze zu Händen und begann zu lesen.

Allein der Schlaf übermannte sie, dass sie rücklings auf ihr Lager sank, die Kerze entfiel ihr und augenblicks lohte das Stroh auf. Als aber die Nonnen, geweckt von der Schwester Pförtnerin, mit lautem Wehklagen herbeieilten, siehe, da lag die Heilige ruhig schlafend inmitten der Flammen, hatte die Hände über der Brust zusammengelegt und lächelte holdselig wie in einem lieblichen Traum.

Jetzt schlug sie die Augen auf, erhob sich ohne Furcht vor den züngelnden Flammen und machte das heilige Kreuzeszeichen über sie. Da sanken sie in sich zusammen und krochen zurück wie gehorsame Hündlein, und als die Kaiserin dem Lager entstieg, da war ihr nicht ein Haar versengt. Die Nonnen aber sanken auf die Knie und dankten der Gottesmutter, dass eine Heilige unter ihnen erstanden war.

Quelle: Andreas Haupt, Die schönsten Bamberger Sagen und Legenden, Bamberg 1877, neu herausgegeben von Gerhard Krischker 2002, S. 77 - 79.