Das Bamberger Rathaus
Die Bürger zu Bamberg waren unzufrieden mit ihrem Herrn, dem Bischof. Denn obwohl er ein milder Fürst war und ihrem Stadtregiment wenig dreinredete, waren sie doch seine Untertanen und sie hätten gern freie Bürger in einer kaiserlichen Stadt sein mögen wie die zu Nürnberg.
Da erhoben sich die Herren und die Zünfte an einem bestimmten Tag, rotteten sich zusammen und rückten vor das feste Stadthaus des Bischofs. Der aber musste vorzeitig Wind bekommen haben; denn die bewaffneten Haufen wurden von den Bischöflichen mit einem so wohl gezielten Hagel von Geschossen aller Art empfangen, dass sie sich unordentlich zurückziehen mussten.
Da brachen die Knechte des Bischofs aus den Toren hervor und drängten die Städter den Berg hinunter in die engen Gassen, wo sie mit Brand und Mord hausten, bis der Bischof ihrem Hauptmann befehlen ließ, Einhalt zu tun.
Nun mussten die Bürger daran denken, ihren Frieden mit dem Bischof zu machen. Sie sandten den Bürgermeister und die drei ältesten Räte hinauf in die Residenz und ließen den Fürsten demütig um Gnade anflehen und ihm Treue für alle Zeiten geloben. Weil sich aber Gnade leichter aus Taten, denn aus Worten erkennen lässt, so sollte der Bürgermeister zugleich bitten, der Bischof möge der guten und getreuen Stadt erlauben, ihr niedergebranntes Rathaus wieder aufzurichten und einiges an Geld dazu stiften, da doch seine Knechte den roten Hahn auf das Dach des schönen Baus gesetzt hätten.
Allein der hohe Herr hatte kaum verstanden, wo der Bürgermeister hinauswollte, so sprang er auch schon aus seinem Sessel in die Höhe und fuhr die Abgesandten hart an, sie sollten sich bei Leib und Leben nicht unterstehen, auf seinem Grund und Boden ein Haus zu bauen, wo sie ihre feinen Pläne wider ihn schmieden könnten.
Verschüchtert zogen sich die Herren zurück und verkündeten dem harrenden Rate die schlimme Botschaft. Kluge und törichte Reden wurden gewechselt, bis endlich ein junger Ratsherr halb im Scherz hinwarf, man solle das neue Rathaus kühnlich ins Wasser bauen, das sei nicht des Bischofs und wenn doch, so sei es nicht Grund und Boden. Anfangs lachten die Räte; dann aber nahmen sie den Plan ernsthaft und als sogar der Stadtbaumeister sich vermaß, das Werk durchzuführen zum Verdruss des Bischofs, da wurde der Bau einhellig beschlossen.
Das alte Rathaus in Bamberg
es verdankt seine Lage mitten auf der Brücke der gemeinsamen Bedeutung
für die beiden durch den Fluß getrennten Stadtteile. Erbaut
1453 - 1536.
© Wolfgang
Morscher, 12. November 2004
Nun begann ein emsiges Werken. Hunderte von starken Eichenpfählen wurden in den Flussgrund getrieben und dazwischen Kies, Sand und Erde geschüttet, bis sich aus dem Wasser eine lang gestreckte Insel erhob. Darein konnten die Grundsteine versenkt werden und nun stieg der Bau rasch empor, zuunterst die Lochgefängnisse und darüber Zimmer und Säle, alles nach dem Plan des Baumeisters. Zwei Brücken sollten das Gebäude mit den Ufern verbinden.
Als der Fürst hörte, wie die Bürger sein Gebot zu umgehen verstanden hatten, freute er sich aufrichtig über die wackere Tatkraft seiner Untertanen. Doch beschloss er bei sich, ihnen zu beweisen, dass sie trotzdem die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatten. Nachdem ein übermütiger Hebschmaus gehalten worden war und vom Rathaus schon der erste Brückenbogen in den Fluss gesetzt, ließ der Rat den Herrn zu einer Augenschau einladen.
Der Bischof lobte alles höchlich. Nur - so meinte er - finde er's etwas beschwerlich, dass die Ratsherrn, die doch sämtlich von ansehnlicher Leibesfülle seien, zu jeder Tagung über den Fluss setzen und dann auf einer Treppe oder Leiter bis zu dem hohen Tor des Gebäudes emporklimmen müssten. Behaglich lächelnd zeigte der Bürgermeister auf den fast vollendeten Brückenbogen und versicherte, in weniger als einem Monat werde sich dieser bis ans Ufer geschwungen haben, just bis dahin, wo der gnädige Herr jetzt eben stehe. "Auf meinen Grund und Boden? - Wagt's!", rief da der Bischof drohend, wandte sich und ließ das Stadtoberhaupt ganz verdutzt stehen.
Nun war guter Rat wirklich teuer. Eine Abordnung, die den Bischof zur Milde stimmen sollte, wurde gar nicht vorgelassen, und ohne Brücken war der Bau ein Narrenwerk, das die Bamberger weit umher berühmter hätte machen können als die Herren zu Schiida. Acht Tage ließ der Fürst die Bürger zappeln und weidete sich an ihrer Ratlosigkeit. Dann beschied er den Bürgermeister zu sich und eröffnete ihm mild und gnädig, er habe sich die Sache überlegt; sie möchten die Brückenköpfe ruhig auf seinen Grund und Boden bauen, aus dem Handel aber lernen, dass Fürst und Volk zusammengehören nach Gottes uralter Ordnung.
Also wurde der Bau vollendet, wie er heute noch zu sehen ist, und die
Bamberger blieben hinfort gut bischöflich allewege; bis sie in den
Schutz und Schirm eines höheren Herrn übergingen.
Quelle: Andreas Haupt, Die schönsten Bamberger
Sagen und Legenden, Bamberg 1877, neu herausgegeben von Gerhard Krischker
2002, S. 20 - 23