Bamberg
Philipp der Babenberger kam mit seinen Mannen vom Vater Rhein, wo er blutige Kämpfe ausgefochten hatte, durch den oberen Maingau, um nach der Ostmark, seiner Heimat, zurückzukehren. In der Nähe der jetzigen Stadt Bamberg machten sie Halt und lagerten sich. Es war ein herrlicher Maientag. Sie ließen ihre Pferde saufen und stärkten sich selbst. Dann setzten sie sich scharenweise zusammen, um ihre Kriegserfahrungen auszutauschen und ihre Erlebnisse zu erzählen. Der Babenberger fand die Luft hier außerordentlich mild und auch das Wachstum weiter vorgeschritten wie in seiner Ostmark. Er legte sich unter eine große, knorrige Eiche und ließ es sich wohl sein.
Seine Blicke verloren sich im blauen Himmel. Da schlief er ein. Seine Kameraden folgten seinem Beispiel - mit Ausnahme der Wachtposten. Die Vöglein, welche zuerst vor diesen Fremdlingen geflohen, kehrten zurück und sangen lustig ihre Schlummerliedchen dazu. Dem Babenberger aber träumte es seltsam. Er wäre in einem heiligen Garten der Götter - schön, wie er ihn noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Vor ihm stand ein herrliches, liebliches Weib, eine Engelsgestalt. Sie erzählte ihm von sieben Hügeln, bat ihn, hier zu bleiben und auf den Hügeln eine gewaltige Burg zu bauen. Gott schenke ihm dies Land. "Baue dir hier deine Burg!", hauchte die weiche, süße Stimme.
Sie streckte die Hand aus und rief: "Sieh hin!" Da sah er sieben Hügel, worauf Riesenbäume standen. Auf dem größten Hügel schlug er mit den Seinen die Bäume nieder. Plötzlich wuchs aus dem Boden eine mächtige Feste und er wohnte mit dem schönen Weibe darinnen. Sieben Söhne schenkte ihm dies Weib, und jeder Sohn befestigte einen Hügel: So wurde aus dieser Burg eine Stadt.
Es kamen heilige Männer und wohnten bei ihnen. Dann zogen vor seinen Augen glänzende Tage vorüber. Die Größten des Volkes kehrten bei ihm und seinen Nachkommen ein. Er sah ein mächtiges Gebäude zum Himmel streben. Was sein Auge wachend noch nie erblickt, ward ihm hier träumend offenbart. Er fühlte: Es war ein Gotteshaus - nicht für seine Götter, für einen anderen Gott. Da schlich sich auch seine Seele in dieses Haus und sie fand den Frieden darinnen im schönen glänzenden Kleide. Die Gestalt ließ die Hände sinken. Die Stadt mit dem Riesengebäude war verschwunden; das Weib setzte leise hinzu: "Lege den ersten Grundstein zu dieser gefeierten Stadt!" Nun erwachte er.
Es war Abend. Er hatte lange geschlafen und auch seine Gefährten schliefen noch. Sinnend dachte er über den Traum nach. Er wollte ihn zuerst von sich schütteln. Es ging nicht. Der Traum saß tiefer. Der Babenberger sprang nun auf und ein Ungewisses trieb ihn in die von der Gestalt angegebene Richtung. Es fing schon an zu dämmern, aber der Mond stand hoch am Himmelszelt.
Kaum war der Babenberger eine Stunde gewandert, da fand er eine Hütte. Er ging raschen Schrittes darauf zu. Doch plötzlich blieb er wie gebannt stehen: Vor der Hütte sah er sein Traumbild, das schöne Weib. Er fragte, wo er wäre. Da antwortete sie: im Siebenhügelland. Nun wurde es ihm schwül. Sollte der Traum Wahrheit werden?
Waldminne, so hieß das Mädchen, erzählte ihm, dass sie mit ihrem Vater allein hier wohne. Sie lud ihn ein, in das Haus zu treten, damit er ihre Gastfreundschaft genieße. Er nahm dankend an. Als dann Philipp das Abendbrot mit Vater und Tochter brach, fühlte er, dass ein Bann sein Herz in Fesseln schlug. Immer musste er Waldminne ansehen. Er erzählte von seinen Kämpfen und seinen Mannen. Da forderte ihn sein Gastgeber auf, auch seine Mannen herbeizurufen. Philipp hatte Bedenken, da er jetzt den Weg nicht finden würde.
Nun erbot sich Waldminne, ihm den Weg zu zeigen. Sie gingen zuerst still nebeneinander beim Zauberschein des Mondes durch den Wald. Es war für ihn der zweite Traum an diesem Tag. Er hielt nicht mehr lange an sich, sondern gestand ihr seine Liebe und erzählte von seinem ersten Traum. Da sprach Waldminne diesmal in Wirklichkeit die Worte: "Bleibe und baue dir hier deine Burg!"
Philipp der Babenberger blieb mit seinen Mannen und baute auf dem Siebenhügelland
eine Burg und nannte sie Babenberg, aus der sich später das heutige
Bamberg langsam entwickelt hat.
Quelle: Andreas Haupt, Die schönsten Bamberger
Sagen und Legenden, Bamberg 1877, neu herausgegeben von Gerhard Krischker
2002, S. 9 - 11