118. Von der Windsbraut.
Dieselbe unheimliche Macht, die sich des Nachts als Muotis vernehmen
läßt, offenbart sich am Tage als Windsbraut. Diese hat's insbesondere
auf die neukultivierten Gründe abgesehen. Sind die Reiser und das
ausgegrabene Stockwerk mit der darauf gehäuften Erde verbrannt, und
hat man diese Asche und diesen Moder zur Düngung über die Fläche
ausgebreitet, dann kommt auf einmal die Windsbraut, nimmt dies alles hinauf
in die Luft und streut es in unfruchtbares Moos oder in einen Weiher.
Da ist die ganze Fläche wie ausgekehrt, und alle Kulturarbeit ist
umsonst. Solche Windsbraut ward einst im Stixner zwischen Zaumberg und
Missen durch ein altes Weib hergezaubert, das man am Morgen an einem Viehbrunnen
hatte Äpfel waschen sehen. Der alte Franz K. hat sich den ganzen
Tag vorgesehen, weil er ein Unheil fürchtete. Als die Windsbraut
sich erhob, stellte er sich auf die Marke seines Kulturteiles und rief:
"Im Namen des Herrn! Mir darfst du nichts nehmen!" Als der Sturm
vorüber war, sah man beim Nachbarn alles bis an die Mark hin rein
weggefegt; dem alten Franz aber war kein Stäubchen von seiner Düngerasche
weggekommen.
Quelle: Allgäuer
Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter
des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München
1914, Nr. 118, S. 125 - 126.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.