105. Das "Wilde Gjägd" im Tiefenbacher Wald.

Der alte Grentler von Schattwald war mit seinem Bruder vor vielen Jahren auf der Holzarbeit im Tiefenbacher Walde südöstlich vom Grünten.

Eines Abends nun, wie es schon stark dämmerte und die beiden schon Feierabend gemacht hatten, hörten sie von ferne Hundebellen und glaubten nun nicht anders, als es kämen noch Jäger von Burgberg zum Jagen. Sie hatten aber vorgehabt, an dem Abend selbst noch als Wilderer auf die Pirsch zu gehen, und waren deshalb schon ärgerlich darob, daß sie nun von den Burgbergern hiebei gehindert würden. Es dauerte nicht lange, so kam das Hundegebell immer näher, wurde lauter und heftiger, und nun vernahmen sie auch ein starkes Gerassel wie von einem schnell dahinrollenden Wagen, und war doch nirgends ein fahrbarer Weg in der Nähe. Sie vernahmen dann auch immer deutlicher Hufschläge von Rossen, und wie der lärmende Zug ihrer Holzerhütte nahe gekommen war, erkannten sie mit Schrecken, daß dies das "Wilde Gjägd" sei, das laut tobend dahinstürmte, und dessen Lärmen, Bellen und Tosen allmählich in der Ferne verklang. Nun waren sie todfroh, daß sie hievon nicht im Freien überrascht worden waren, hatten auch keine Lust mehr den Abend zum Wildern zu gehen.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 105, S. 114 - 115.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.