226. Die Schweden in Scheidegg.

Als im Dreißigjährigen Kriege viel Not im Lande war und die Schweden allenthalben umherzogen, war in Scheidegg ein Bauer, der, was damals noch eine große Seltenheit war, ein Feuerrohr sich verschafft hatte, mit dem er, wie er oft sagte, den ersten Schweden, dessen er ansichtig würde, vom Gaul schießen wolle. Wie nun die Schweden wirklich durch den Ort gezogen kamen und weiterziehend schon bei den letzten Häusern waren, legte der Bauer sein Rohr an einem Hauseck fest, zielte und schoß richtig einen schwedischen Reiter vom Pferde herunter. Ob dieser Meucheltat wurden die Schweden grimmig, kehrten um und steckten Haus für Haus in Brand bis auf die Sonnenwirtschaft, die sie verschonten. Das hatte aber seinen Grund in folgendem. Kurze Zeit vorher war in der Wirtschaft ein Handwerksbursche eingekehrt und hatte einiges gegessen und getrunken, erklärte dann aber, er habe kein Geld zum Zahlen und wolle, bis er wieder komme, seinen silbernen Rosenkranz als Pfand zurücklassen. Die Wirtsleute begehrten das nicht, aber der Handwerksbursche ließ trotzdem das Pfand zurück und marschierte weiter. Als kurz darauf der Wirt, der abwesend gewesen, nach Hause kam und von dem Rosenkranz vernahm, schickte er eiligst dem Handwerksburschen nach und ließ ihm das Pfand zurückgeben und sagen, er glaube ihm ohne Pfand, und weil er so ehrlich, sei ihm seine Zechschuld überhaupt geschenkt. Diese schöne Handlungsweise erzählte der Handwerksbursche dann den Schweden, denen er sich angeschlossen, und sagte ihnen, sie sollen doch die Sonnenwirtschaft verschonen, denn "da seien gute, brave Leute", und so blieb die Wirtschaft tatsächlich verschont.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 226, S. 236f.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.