114. Schußfestigkeit.

In Blaichach lebte vor hundert Jahren ein Mann, namens Sanger; der war "schußfest", daß ihm keine Gewehrkugel ankonnte. Das zeigte sich einmal, als er mit einem Kameraden beim Wildern von den Jägern überrascht wurde. Während nämlich sein Begleiter gleich Deckung suchte und sich hinter einem Felsen versteckte, machte sich der Sanger gar nichts daraus, als die Jäger auf ihn anlegten, ergab sich auch nicht, sondern ließ ruhig auf sich schießen, fiel auch zu Boden nieder, als wäre er tot. Kaum waren aber die Jäger fort, so stand er wieder ganz wohlgemut auf, machte sein Hemd auf der Brust auf, und nun sah man nur eine "kleine blaue Mäße", wo die Kugel abgeprallt war. Manche behaupteten früher, der Sanger habe seine Schußfestigkeit dem damaligen Pfarrer Petrich verdankt, der ein überaus gescheiter und braver Herr und besonders ein guter Steinkenner und Sammler war, und der auch Macht über die Gewitter besaß, was er dadurch zeigte, daß er das Wetterschießen, das damals noch Brauch war, abschaffte und sagte, man solle das Wetter nur ziehen lassen, denn dafür sei er schon selbst da.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 114, S. 122 - 123.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.