43. Der Schindelklieber bei Stettwang [Stöttwang].
In dem großen Walde zwischen Stettwang und Helmishofen, "die
Meltern" oder "im Melter" genannt, hörte man früher
in stillen finstern Nächten in entfernter Waldeinsamkeit ein Geräusche,
wie wenn jemand aus Scheitholz Dachschindeln klöbe; es war der "Schindelklieber
in den Meltern", wie er ringsum in der Gegend genannt ward. - In
dem nahen Dorfe Stettwang wohnte einstmals ein begüterter Bauer,
der, nicht zufrieden mit dem Segen, welchen ihm Gott schenkte, recht wucherig
tat und allabendlich mit seinem Knechte in die Meltern hinausging um Holz
zu stehlen, das er dann daheim klob und an die armen Nachbarn verkaufte.
Da ging einmal Sattlers Jakob um die Mitternachtsstunde von Osterzell,
wo er auf der Stör arbeitete, nach Hause. Er mochte vielleicht, weil
er dem Kornbranntwein kräftig zugesprochen, etwas unterm Hut haben;
da wurde er mutig und rief einmal ums anderemal in das Gehölz: "Schindelklieber,
komm heraus!" - Was geschieht? Er geht lustig seiner Wege; da sieht
er mit einemmal einen großen, schwarzen Hund über dem Wege
liegen, dessen feuriges Auge ihn so erschrecklich anblitzte, daß
es ihm eiskalt über den Rücken lief. Er bog vom Wege ab in das
Gehölze, verirrte sich aber, da ihm immer die funkelnden Augen des
schwarzen Hundes vorleuchteten, so sehr, daß er erst nach ausgestandenem
Todesschrecken gegen die Morgendämmerung ganz nüchtern geworden
daheim ankam.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen,
Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt
von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 43, S. 53 - 54.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.