261. Der Schatz in der Mühle.
Wer Geld oder Reichtümer an unbekannten Orten versteckt oder vergräbt und darüber stirbt, so daß den Angehörigen oder der Nachkommenschaft die Erbschaft darob vorenthalten bleibt, der kann nach seinem Tode so lange keine Ruhe finden, bis das Geheimnis geoffenbart und das versteckte Gut an die rechtmäßigen Eigentümer gelangt ist. So ging in einer Mühle einmal lange Jahre ein arger Geisterspuk, daß man fast nicht darin wohnen konnte. Es polterte und rumpelte alle Nacht in dem Hause ganz entsetzlich, und wer auf der Heubane etwa Futter für das Vieh herabwerfen wollte, wurde ohne Gnade selbst herabgeworfen. Da wäre der Müller freilich gerne ausgezogen; aber er war arm und hatte ein ganzes "Bruslat" Kinder, und so geduldete er sich. Als zuletzt die Mühle baufällig geworden und abgebrochen wurde, fanden die Zimmerleute im Gebälke einen versteckten Schatz, eine ungemein große Summe Geldes. Der Müller wurde dadurch plötzlich ein reicher Mann und konnte seine Mühle groß und schön aufbauen und später jedem seiner vielen Kinder ein Heiratgut von 5000 fl. mitgeben.
Der Geist aber war mit der Auffindung des Schatzes erlöst worden.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers
"Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus"
ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 261,
S. 269.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.