106. Das Nachtgjaid bei Niederhofen.
Vor vielen, vielen Jahren ging einmal ein Mann von Leuterschach kurz
nach Mitternacht daheim fort um den Sonthofener Viehmarkt zu besuchen.
Noch ehe der Morgen zu grauen anfing, kam er schon in die Gegend von Nesselwang,
und als er bei Niederhofen vorbeiging, hörte er auf einmal in einem
Gehölze seithalbs der Straße einen gar wunderlieblichen Gesang
und herrliches Musizieren und Jauchzen, daß er es seiner Lebtag
nie so schön gehört hatte. Darob war er nun nicht wenig erstaunt,
dachte aber sogleich an das Nachtgjaid, von dem er schon hatte erzählen
hören, wie schön es musiziere, und nun hätte er sich gerne
zum Schutze niedergelegt, wenn er nur keine Zeit zu verlieren gehabt hätte.
So dachte er sich aber: Gehst halt ruhig in Gott's Namen deines Weges
fort! Wie er eine Strecke weit gekommen war, sah er plötzlich einen
Reiter auf einem schwarzen Roß daher sprengen und vor ihm quer über
die Straße gegen den Niederhofer Wald zueilen, von woher die wunderschöne
Musik erschallte. Das Roß war, wie er deutlich sah, vollständig
angeschirrt. Der Reiter aber, der darauf saß, hatte keinen Kopf.
Da überkam den Mann freilich große Furcht, und als er das Gesehene
in Nesselwang erzählte, sagte man, er solle Gott danken, daß
er diesmal gut und unbeschädigt davon gekommen sei.
Quelle: Allgäuer
Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter
des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München
1914, Nr. 106, S. 115.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.