48. Die Kröte zu Einsiedeln.
Vor der Kirchentüre zu Maria-Einsiedeln erschien früher viele
Jahre lang täglich eine dicke, große Kröte und watschelte
und hüpfte herum. Wenn man sie auch wegschleuderte oder sie zertrat,
am folgenden Tag war sie wieder da und trieb sich herum, als ob sie in
die Kirche gelangen wollte. Endlich vermutete man, es möchte mit
der Kröte eine ganz besondere Bewandtnis haben, und sagte, man wolle
sie einmal machen lassen, was sie wolle, und die Kirchentür ihr auftun.
Sogleich watschelte sie durch dieselbe hinein und den Gang vor bis zum
Muttergottesaltar, wo gerade Messe gelesen wurde, und wo sie verblieb.
Bei der Wandlung geschah nun das Wunder, daß sich die häßliche
Kröte mit einemmal in eine schneeweiße Taube verwandelte und
gen Himmel flog. Die Kröte war aber die arme Seele einer vornehmen
Frau weit drin in Frankreich gewesen, die zu Lebzeiten einen Wallfahrtsgang
nach Maria-Einsiedeln versprochen, dann aber nicht gehalten hatte, und
die zur Strafe nun so lange als Kröte geisten mußte, bis sie
ihr Gelöbnis erfüllte und so ihre Erlösung fand.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen,
Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt
von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 48, S. 56 - 57.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.