272. Jude schwimmt auf dem Wasser.
Ein Bauer, der die Juden nicht leiden mochte, begegnete einmal einem
solchen auf dem Zwingsteg bei der Walserschanz, wo unten in enger Schlucht
die Breitach durchfließt. Sogleich wollte er an diesem unheimlichen
Orte seinen Unmut an dem Juden auslassen und forderte von ihm, er solle
sagen: "O Herr Jesu Christ!", sonst werfe er ihn in die Tiefe.
Da sich der Jud aber des weigerte, so packte ihn der Bauer und warf ihn
"stantepe" (verm. von stante pede [lat.] = sofort) über
den Steg. Der Jud fiel durch die tiefe Schlucht hinab in die brausende
Breitach; aber siehe, er sank im Wasser gar nicht unter, sondern schwamm
wie Kork oben auf und ward so von den Wellen durch die ganze Schlucht
hinausgetragen bis in die Tiefenbacher Oib, wo er ausgeworfen wurde und
unversehrt davonmarschierte.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers
"Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus"
ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 272,
S. 282f.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.