218. Der ewige Jude in Füßen [Füssen].

Als einmal an einem Sonntag in der Franziskanerkirche zu Füßen ein Pater predigte, saß unter der lauschenden Menge auch ein kleines fremdes Männlein mit einem ganz kleinen Hütlein, das es neben sich hingelegt hatte, und hörte aufmerksam dem Worte Gottes zu. Der Prediger behandelte aber gerade den christlichen Glauben, dessen Wichtigkeit und Unentbehrlichkeit und klagte bitter, wie sehr der wahre und lebendige Glaube allenthalben schwinde, und wie klein er schon geworden sei. "Ja, so klein ist er geworden, daß ich ihn unter mein Hütlein sperren könnte," fiel ihm da das kleine Männlein laut in die Rede, daß man es in der ganzen Kirche deutlich hören konnte. Sprach's, nahm sein Hütlein und ging zur Kirchentür hinaus. Dann schritt es über den Kirchplatz und der Brücke zu und auf der Straße weiter bis zum "Lusalten", wo der Sankt Mangetritt ist. Hier machte es einen gewaltigen Sprung über den Lech und verschwand dann jenseits der Felsenenge, so daß man nichts mehr von ihm sah. Insgemein hieß es nun aber bei den Leuten, das sei kein anderer als der ewige Jude gewesen. Beim Mohrenwirt habe er logiert, und da habe man ihn daran erkannt, daß er in seinem Zimmer den Tisch in die Mitte gerückt habe und die ganze Nacht um denselben herumgegangen sei.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 218, S. 226 - 227.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.