89. Die drei Fräulein am Hoargenstein bei Reutte.
Am Hoargenstein, einem aus Wiesen emporragenden Felsenkopf
zwischen Reutte und dem Ehrenberger Schlosse, hausten ehedem in einer
Felsenhöhlung drei verwunschene Fräulein. Sie waren gar schön
gekleidet; eine von ihnen hatte einen Bund Schlüssel und ward oft
gesehen, wie sie ihr blondes, lang herabhängendes, lockiges Haar
kämmte und dabei weinte. Nicht selten spannten sie vom Hoargenstein
bis zum Ehrenberger Schlosse oder zum Steinernen Brückele, ja sogar
bis zu den Weißenbacher Schrofen ein Seil und hängten daran
kleine weiße Tücher auf, und wenn das die Leute sahen, sagten
sie: "Es wird gut Wetter, die Fräulein hängen ihre Wäsche
auf." Zuweilen sah man sie auch herumwandeln, besonders zu heiligen
Zeiten und voraus an Quatembertagen [kath. Kirche: jeder der drei Buß-
und Fastentage (Mittwoch, Freitag, Samstag) zu Beginn eines Vierteljahres].
Manche behaupteten, auf dem Hoargenstein sei zur Heidenzeit ein Götzenbild
gestanden; da wären die Heiden viel hingekommen und hätten es
verehrt.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen,
Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt
von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 89, S. 98 - 99.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.