95. Wilde Männle verrichten Hirtendienste.
Zur Zeit, als die
Kienberger bei Oberstdorf noch die Lugenalp im Oytal besaßen, fand
sich jedes Frühjahr, wenn man in die Alpe zog, ein wildes Männle
ein, übernahm das Vieh und hütete es dann den ganzen Sommer
über gar fleißig, so daß man nie Unglück hatte und
mit ihm stets wohl zufrieden war. Das Männle ging aber nie in die
Hütte, und so legte man ihm das Essen stets auf einen Stein, den
es sich zum Lieblingsplätzchen ausgewählt hatte. Weil es aber
nie einen Lohn begehrte, so beschlossen die Alpbesitzer, sie wollten es
freiwillig entlohnen, und da mittlerweilen sein "Häß"
gar "lotschig" geworden war, so ließen sie ein grünes
Röcklein machen und legten es auf den Stein. Da nahm das Männlein
den Rock, zog ihn an, betrachtete sich dann selbstgefällig von allen
Seiten und rief:
"Gott i sei so hübsch und fei
Und sott da no a Kuhhiert sei!"
Darauf ging es fort und kam nie wieder.
Quelle: Allgäuer
Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter
des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München
1914, Nr. 95, S. 101 - 102.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.