160. Das Zillebach- und Hirschbach-Weible bei Hindelang.
Beim Zillebach zwischen Vorderhindelang und Hindelang zeigte sich ehedem oft das "Zillebachweible". Es war klein von Gestalt, trug eine altertümliche "Bendelkappe", war aber sonst ganz "lotschig" angezogen und erschien am meisten zu heiligen Zeiten. Am häufigsten sahen es die Vorderhindelanger im Advent, wenn sie in früher Morgenstunde nach Hindelang ins Engelamt gingen. Unversehens tauchte es in der Nähe des genannten Baches auf, begleitete den des Weges Kommenden eine Strecke weit, ließ ihn wohl auch eine Weile vorgehen und sprang ihm dann hastig hinten nach und brachte so die Leute in Angst und Schrecken. Sehr oft geschah es auch, daß es dieselben vom Wege ablenkte und verführte, daß sie sich nicht mehr zurechtfanden.
Einen Burschen, der bei seinem Schatz im Heimgarten gewesen und heim wollte, brachte es auf dem Bauwege außerhalb Hindelang so sehr in Verwirrung, daß er stundenlang umherirrte und Hindelang nicht mehr finden konnte. Zuletzt befand er sich in der "langen Wiese" jenseits der Ostrach, ohne sich erklären zu können, wie er dahin gekommen; denn er war doch über keine Brücke gegangen und durch kein Wasser gekommen.
Ein andermal kam es drei Burschen entgegen. Die erkannten aber von der Ferne das Weible nicht und meinten, es komme eine Nachbars-Föl, mit der sie nun ihren Spaß machen wollten. Sie reichten sich gegenseitig die Hände und bildeten einen Halbkreis, um so das Mädchen aufzuhalten und einzuschließen. Wie aber die Person an sie herangekommen war, trennte diese die Kette, ohne daß sie recht wussten wie, und ging grinsend zwischen ihnen durch. Nun gewahrten die Burschen erst mit Entsetzen, daß dies das Zillebachweible sei, und die Lust zum Scherzen verging ihnen.
Lange später noch hat man den Kindern mit dem Zillebachweible gedroht, wenn sie nicht ordentlich sein wollten; jetzt aber hört man nie mehr darüber sprechen.
Wie beim Zillebach, so hat man in alten Zeiten auch in der Nähe
der Brücke, die zwischen Hindelang und Oberdorf über den Hirschbach
führt, des Abends oft ein Weiblein umwandeln sehen, das man das "Hirschbachweible"
hieß. Es tat eigentlich niemand etwas zu leide, aber viele fürchteten
es doch. Auf der Stör arbeitende Handwerksleute, wie Näherinnen,
Schuster usw. gingen häufig abends gar nicht heim, um ja nicht am
Hirschbachweible vorbei zu müssen.
Quelle: Allgäuer
Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter
des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München
1914, Nr. 160, S. 167 - 168.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.