65. Der Hausgeist bei Steeg.
Bei Steeg zeigt man einen Platz, auf dem einst ein Haus gestanden ist,
und erzählt davon folgende Geschichte: Der Mann, dem das Haus gehörte,
hielt sich als Hausierer im Auslande auf. Da kam er einmal zu einem reichen
Herrn, der sehr traurig war. Der Hausierer fragte den ernsten Mann gar
zutraulich um die Ursache seiner traurigen Stimmung. Darauf erwiderte
der Herr: "Wie soll ich heiter sein, wenn der Hausgeist mir keine
Ruhe läßt und ich vor ihm nicht einmal des Lebens sicher bin?
Wer für dies Hausübel ein Kraut wüßte, dem wollte
ich's gut lohnen." Der Lechtaler sagte, wenn es nur das sei, so wolle
er schon helfen. Sie wurden bald des Handels einig, und der Lechtaler
erhielt für die Übernahme des Koboldes einige hundert Gulden.
Und siehe, zu derselben Stunde, in der der Handel abgeschlossen wurde,
gab's im Hause bei Steeg einen Höllenlärm. Es war gerade, als
ob Wägen ins Haus rollten und Pferde hineintrampelten; doch sah man
weder Mann noch Maus. In der Nacht wiederholte sich der Lärm, und
ein Kind wurde vom Geiste erwürgt. Nicht besser ging es in der zweiten
Nacht zu, so daß am dritten Tage die geängstigte Familie aus
dem Hause zog. Bald darauf kam der Mann aus der Fremde zurück und
suchte bei Geistlich und Weltlich Hilfe, jedoch vergebens. Alle Gebete
und Exorzismen halfen nichts. Da ließ er das Haus abbrechen und
an einem andern Platz aufbauen; nur die Türschwelle wurde an Ort
und Stelle zurückgelassen, damit das Gespenst auf den alten Platz
gebannt bleibe.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen,
Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt
von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 65, S. 67 - 68.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.