181. Die Geldmühle.

Es war einstmals eine Müllerswitwe, deren Mühle gar alt und baufällig war, so daß sie jeden Tag einfallen konnte. Aber die Witwe war zu arm, um sie neu aufbauen lassen zu können, und verdienen konnte sie sich auch nichts mehr, weil ihr bei der schlechten Mühle niemand mehr zu mahlen geben wollte. Da war ihre Not und ihr Kummer groß, aber sie blieb dennoch fromm und ehrlich und vertraute auf Gott und betete unaufhörlich. Da kam eines Tages, als die Not aufs höchste gestiegen war, ein fremder Mann in die Mühle, ließ sich mit der Müllerin in ein Gespräch ein, erkundigte sich nach allem und sprach dann: "Weil dir bei deiner elenden Hütte niemand mehr Getreide anvertrauen mag, so will nun ich dir eine Frucht aufschütten, daß du wieder zum Mahlen kommst," schüttete etwas auf und ließ das Mühlwerk laufen. Anstatt des Mehles fielen jetzt aber lauter blanke Goldstücke in den Kasten, daß sie davon den "größten Stumpen" (Sack) voll bekam, indes der Fremde sich wieder entfernte. Die Müllerin konnte nun wieder eine neue Mühle aufbauen und war eine reiche Frau. Wer der fremde Mann aber gewesen, hat man nicht erfahren.

Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 181, S. 188 - 189.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.